Grave Mercy Die Novizin des Todes
alles, was ich tun muss, um Ihm zu dienen, ist leben. Voll und mit ganzem Herzen. Mit diesem Wissen geht ein wahres Verständnis für all die Gaben einher, die Er mir gegeben hat.
Und dann weiß ich es. Ich weiß, warum Duval in der Lage war, sich lange genug von seinem Totenbett zu erheben, um François nach Rennes zu schicken, und ich weiß, wie ich ihn vor dem Gift retten kann.
Falls es noch nicht zu spät ist.
Zweiundfünfzig
ICH GALOPPIERE WIE DER Wind. Es ist, als habe Mortain mein Pferd gesegnet und seinen Hufen Flügel verliehen. Ich habe keine Ahnung, was ich vorfinden werde, welches weitere Unheil Kanzler Crunard angerichtet haben mag, aber selbst wenn ich mich in Bezug auf Duval irre, werde ich die Gelegenheit haben, Crunard gegenüberzutreten, und das ist viel wert.
Mein Hengst mag galoppieren, als sei er ein geflügelter Bote des Todes, aber tatsächlich ist er es nicht, und ich muss über Nacht Pause machen, damit wir uns beide ausruhen können. Ich wähle eine Lichtung neben einem Fluss in Sichtweite einer kleinen steinernen Hütte. Nachdem ich das Pferd herumgeführt habe, damit es sich abkühlen kann, lasse ich es aus dem Bach trinken.
Ich versuche, mich genauso auszuruhen wie mein Reittier, aber ich kann es nicht. Ich kann kaum dieses Geschenk annehmen, das mir gemacht wurde, obwohl ich es nicht wage, es zu hinterfragen, aus Angst, dass meine Zweifel dazu führen werden, dass es sich in Luft auflöst. Stattdessen konzentriere ich mich auf das Gefühl unendlicher Handlungsmöglichkeiten, das ich in der Gegenwart des Todes hatte, und daran klammere ich mich.
Am Morgen bin ich mit den Vögeln auf, und wir sind wieder unterwegs. Ich bin eine leichte Last für mein Pferd, so gewohnt wie es an lange Märsche mit schwer bewaffneten Rittern ist, daher erreichen wir Guérande in hervorragender Zeit.
Ich zügele meinen Hengst gleich außerhalb der Stadt. Die Tore sind offen, und Menschen gehen ein und aus. Niemand scheint einer besonderen Untersuchung unterzogen zu werden. Trotzdem kann ich kein Streitross durch die Tore bringen; das würde unwillkommene Fragen aufwerfen. Am Ende lasse ich es bei einem Bauern außerhalb der Stadt und gebe ihm eine Handvoll Münzen, damit er das Pferd für mich bewacht.
Und ich drohe ihm Vergeltung an, falls er es nicht tut.
Während wir unser Geschäft abwickeln, steht seine Frau in der Ecke des Hofs, wo sie ihre Wäsche von der Leine holt. Für zwei zusätzliche Münzen tausche ich mein eigenes feines Gewand gegen das selbstgesponnene Kleid, das sie dort hängen hat.
Dann schlüpfe ich aus meinem Gewand, denn ich brenne darauf, den Prunkstaat des Klosters loszuwerden. Als ich in das grobe braune Kleid trete, verändert sich etwas in mir. Ich bin nicht länger eine Kreatur des Klosters, sondern mein wahres Ich, nichts als eine Tochter Mortains.
Nachdem ich den Zierrat des Klosters hinter mir gelassen habe, breche ich zu Fuß von der Hütte auf, bekleidet wie die Bäuerin, die ich bin. Ich behalte nur die Waffen.
Die Wachen am Tor würdigen mich kaum eines Blickes, als ich in die Stadt gehe. Ich habe sie zuvor noch nie gesehen, aber da ich die Tore nur ein paarmal passiert habe, bedeutet das nichts. Sie scheinen jenen, die gehen, größere Aufmerksamkeit zu schenken als jenen, die kommen.
Mein Herz rast, als ich durch die Stadt gehe. Ich sehne mich danach, loszurennen und an Duvals Seite zu eilen, aber das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen. Stattdessen zwinge ich mich, gemessenen Schrittes weiterzugehen, und halte den Kopf gesenkt, wie eine bescheidene Dienerin es tun würde. Aber es ist hart. So hart.
Ich nähere mich dem Palast von hinten, wo die Küchen beliefert werden, und nehme mir dort einen Korb mit Kohlköpfen von einem Wagen. Niemand schenkt mir Beachtung – wahrhaftig, all meine Taten scheinen von der Hand meines Gottes beschützt zu werden –, und ich schlüpfe unbemerkt in den Palast.
Angespannt gehe ich den langen Weg vom Westflügel zum Nordturm, wo mein altes Zimmer ist, aber das ist der einzige Eingang zu den verborgenen Tunneln, den ich kenne.
Ich halte den Kopf gesenkt, während ich durch die Flure gehe, aber trotzdem kann ich sehen, dass sich viel verändert hat. Die Pagen stehen in starrer Hab-Acht-Stellung, nicht länger fröhlich und gutmütig. Die Diener versehen hastig ihre Pflichten, alle mit düsteren Mienen.
Ich bin voller Erleichterung, als ich endlich Duvals Räume erreiche, vor allem als ich sehe, dass sie verlassen sind.
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