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Grazie

Grazie

Titel: Grazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chelsea Cain
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und hob
vorsichtig die andere Hand an, damit er die Tüte darüberstreifen
konnte. Die Käfer stoben auseinander, und Henry trat einen kleinen
Schritt zurück.
    Archie schrieb etwas in sein Notizbuch. Es war zwölf Jahre
her, dass er in diesem Park über einem anderen toten Mädchen gestanden
hatte. Das hatte sie auf die Spur des Beauty Killers gebracht. Damals
hatten sie nicht gewusst, dass sich eine Lebensaufgabe daraus
entwickeln würde. Oder dass Archie eins seiner Opfer werden sollte.
    Von oben rief jemand: »Hey!«
    Henry sah zum Weg hinauf, wo Claire Masland ihnen Zeichen
machte, dass sie wieder nach oben kommen sollten. Er stemmte die Hände
in die Hüften. »Das darf doch wohl nicht wahr sein«, sagte er zu Archie.
    Claire winkte wieder, diesmal mit dem ganzen Arm.
    »Ich gehe zuerst«, sagte Archie und fügte nach einem Blick auf
Henry an: »Damit du mich nicht mit ins Verderben reißt, wenn du fällst.«
    »Ha, ha«, sagte Henry.
    »Was gibt es?«, fragte Archie Claire, als sie den Weg erreicht
hatten. Claire war klein und knochig, mit sehr kurz geschnittenen
Haaren. Sie trug ein gestreiftes T-Shirt und Jeans. Ihre golden
schimmernde Dienstmarke war zusammen mit einem Handy und einer Pistole
im Lederhalfter am Gürtel befestigt, eine rote Plastiksonnenbrille
steckte lässig in einer Gürtelschlaufe. Sie neigte den Kopf in Richtung
eines jungen, uniformierten Polizeibeamten, der voller Erde war.
    »Das ist Officer Bennett«, sagte sie. »Der erste Beamte am
Schauplatz.«
    Bennett sah aus wie ein hoch aufgeschossener Junge, mit einem
kindlichen Gesicht und einem leichten Doppelkinn über einem schlanken
Hals. Er ließ die Schultern hängen. »Tut mir furchtbar leid«, sagte er.
    »Zeigen Sie es ihnen«, sagte Claire zu ihm. Er seufzte
bedrückt und drehte sich um. Er war kopfüber in die Schlucht gefallen,
seine Uniform war voller Schlammflecken, und winzige Pflanzenreste
klebten noch an seinem Hemd.
    Henry und Archie beugten sich vor, um besser sehen zu können.
Am Schulterblatt Bennetts hing zwischen Farnsamen, Moospartikeln und
Erde ein unverkennbarer Hinweis.
    Henry sah Archie an. »Das ist ja wohl ein menschliches Haar«,
sagte er.
    »Als Sie, äh, gestürzt sind«, fragte Archie Bennett, »kamen
Sie da in Kontakt mit der Leiche.«
    Bennett erstarrte. »Großer Gott, nein, Sir. Ich schwöre es.«
    »Er muss es sich auf dem Weg nach unten eingefangen haben«,
sagte Henry.
    Archie zog eine schwarze Taschenlampe hervor und leuchtete das
rote Haar der Länge nach ab. Er hielt die Lampe so, dass Henry sehen
konnte. An einem Ende des Haars hing ein winziger Klumpen Gewebe. »Da
ist noch ein Stück Kopfhaut dran«, sagte Archie.
    Bennett fuhr herum und riss die Augen auf. »Machen Sie es
weg«, flehte er, »machen Sie es weg, ja?«
    »Schön locker bleiben, mein Sohn«, sagte Henry.
    Claire, die gut dreißig Zentimeter kleiner war als der junge
Beamte, pflückte das Haar von seinem Schulterblatt und verstaute es in
einem Beweismittelbeutel.
    Archie rief einen Kriminaltechniker zu sich. »Packen Sie seine
gesamte Kleidung ein. Socken, alles.«
    »Aber was soll ich dann anziehen?«, fragte Bennett, während
der Mann ihn wegführte.
    Claire drehte sich zu Archie und Henry um. Der Weg, auf dem
sie standen, war etwa einen Meter breit und aus dem Hang gehauen
worden. Ein Drittel davon hatte man als Durchgang offen gelassen, damit
die fünfzigjährigen Damen keinen Umweg durch den Wald machen mussten
und nicht ihren Nachmittagstermin im Schönheitssalon verpassten. Ein
schokoladenbrauner Labrador stürmte durch das Laubwerk am Hang, während
sein Besitzer in kurzer Hose, Wanderstiefeln und verspiegelter
Sonnenbrille vorbeimarschierte, ohne die Aktivität am Grund des Tals
auch nur mit einem Blick zu würdigen. »Und?«, sagte Claire.
    »Kopfverletzung«, sagte Archie.
    »Ja«, stimmte Henry zu.
    »Vielleicht ist sie gestürzt, wie unser Superbulle hier«,
spekulierte Claire, »und mit dem Kopf auf einen Stein geprallt.«
    »Oder der Stein ist auf ihren Kopf geprallt«, sagte Henry.
    »Oder«, sagte Archie, »Fiffy ist da runtergestiegen und hat
die Schnauze in unsere Leiche gesteckt, und auf dem Weg nach oben ist
ihm das Haar von der Zunge gefallen.«
    Claire und Henry sahen Archie an.
    »Fiffy?«, fragte Henry.
    »Krass«, sagte Claire.

_2_
    S usan Ward hatte ein flaues Gefühl im Magen.
Vielleicht waren es die Nerven. Vielleicht war es die Hitze. Vielleicht
lag es an der von Zigarettenrauch verpesteten Luft in der

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