Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
ein Getränketab
lett auf dem Arm, zeigte Leuten den Weg zur Toilet
te und bekam den Hintern häufiger gezwickt als üb
lich. Musste an der Uniform liegen. Er strahlte Ruhe
und Sicherheit und Zuversicht aus und war jederzeit
bereit, wie der Teufel Reißaus zu nehmen. Die erste
und wichtigste Regel des erfolgreichen Betrügers:
Fürchte dich nie davor, alles hinzuwerfen und gerad
linigen Kurs auf den Horizont anzulegen, falls du
auch nur den Verdacht hast, dass irgendwas schief
geht. Wer herumtrödelte und hoffte, die Tölpel noch
ein bisschen mehr auszuquetschen, oder wer einfach
keinen Abschied von den eigenen cleveren Plänen
nehmen konnte – der war es, der letztlich zur Mann
schaft einer Arbeitsfarm auf einem Höllenplaneten
gehörte. Brett hatte schon mal ein Gefängnis von in
nen gesehen und keine Freude daran gefunden. Man
traf dort einen groben Menschenschlag an. Er hatte
sich fest vorgenommen, nicht dorthin zurückzukeh
ren.
Er nahm Zugriff auf die Kamera, die derzeit als
sein linkes Auge diente, und führte rasch ein Diagno
seprogramm aus. Alles lief prima. Die Kamera
zeichnete auf, worauf er sie richtete, und er erhielt
einige wirklich nette offenherzige Aufnahmen der
Großen und Guten, die sich hier entspannten und die
Haare frei fallen ließen und sich dabei in der Ge
wissheit sonnten, dass die offiziellen Medienkameras
strikte Anweisungen darüber hatten, was sie senden
durften und was nicht. Selbst wenn sie schließlich für
die eigentliche Krönung auf Livesendung gingen,
hatte der König auf einer Fünf-SekundenVerzögerung bestanden, damit der Hofzensor alles
herausschneiden konnte, was der Würde der Feier
abträglich war. Was natürlich der Grund war, warum
Brett solche Mühen auf sich genommen hatte, sich
selbst und seine Kamera einzuschmuggeln. Seine
unautorisierten und zuzeiten sehr offenen Aufnah
men würden ihm einen Haufen Geld seitens der
Klatschshows einbringen.
Ein Auge herzugeben und es durch eine Kamera
zu ersetzen, das war ebenso schmerzhaft wie teuer
gewesen, aber Brett war nun mal Profi.
Er zirkulierte mit seinem Tablett und sorgte dafür,
dass jedermann stets ein frisches Glas hatte. Die Leu
te erzählten so interessante Sachen, wenn sie be
schwipst waren. Brett war schweigsam, lächelte, gab
sich unauffällig und lauschte allen möglichen faszi
nierenden Gesprächen, während die Menschen glatt
durch ihn hindurchblickten. Dienstboten waren un
sichtbar und genossen keine höhere Aufmerksamkeit
als Wartungsroboter. Brett nutzte das, um sich zu
einigen der ausgezeichneten Horsd’oeuvres vom Bü
fett zu verhelfen und einige kleine Wertgegenstände
einzustecken, die seinem echten Auge auffielen. Wi
derstrebend gelangte er zu dem Entschluss, dass es
ein Schritt zu weit gewesen wäre, in einigen Taschen
zu graben. Es erforderte nur einen unglücklichen
Augenblick und einen entrüsteten Aufschrei, und er
musste um sein Leben rennen, noch bevor die Krö
nung begann, und damit auf die besten Aufnahmen
überhaupt verzichten. Also beherrschte er sich mit
knapper Not und trieb sich hoffnungsvoll neben einer
Gruppe von Abgeordneten herum, um vielleicht die
eine oder andere saftige Information zu erhaschen,
die er später nutzen konnte, um jemanden zu erpres
sen. Jedes kleine Bisschen war hilfreich.
Hinter dem Podium mit den Thronsitzen zeigte ein
Holobildschirm gerade alte Aufnahmen von Douglas
Feldglöcks Abenteuern als Paragon. Brett blieb ste
hen, um sich das einen Augenblick lang anzusehen.
Da war er, der angehende König, immer im dicksten
Kampfgetümmel, der Held, der dort Leute nieder
machte, die wahrscheinlich nur ihren Lebensunter
halt zu verdienen versuchten. Lewis Todtsteltzer war
fast immer an seiner Seite, focht für das Gute und
bestrafte das Böse. Douglas und Lewis, der König
und der Todtsteltzer, die Champions der Gerechtig
keit.
Brett hatte sich nie viel aus Douglas gemacht. Viel
zu etepetete und korrekt. Hatte nie im Leben einen
illegalen oder unsauberen Gedanken gehegt, dieser
Typ. Zur Größe geboren – als ob er das nicht wüsste!
Für den Todtsteltzer hatte Brett von jeher mehr üb
rig. Alles, was dieser Typ geerbt hatte, war die Bürde
eines legendären Namens, aber er hatte sich trotzdem
aus eigener Kraft zum Helden aufgeschwungen. Brett
bewunderte Lewis; vielleicht deshalb, weil der Todt
steltzer alles verkörperte, was dem Ohnesorg nicht
möglich war und nie möglich sein würde.
Ihre Ahnen waren
Weitere Kostenlose Bücher