Green, Simon R. - Todtsteltzers Erbe
Ekstatiker Einblicke und Inspirationen von erschre
ckender Tiefe gewonnen, und manchmal äußerten sie
Prophezeiungen von unheimlicher Präzision, wenn
auch in solch obskuren Begriffen, dass es womöglich
Jahre dauerte, bis jemand aufdeckte, wovon zum
Teufel sie da geredet hatten. Und zuzeiten quatschten
sie auch einfach nur völligen Mist.
Die Ekstatiker, die ein kurzes und glückliches Le
ben führten und sich für niemanden außer sich selbst
interessierten.
Einer von ihnen streckte plötzlich die Hand aus,
packte den Weihnachtsmann am roten Ärmel, als er
gerade vorbeigehen wollte, und fixierte ihn mit ei
nem glücklichen, stetigen Blick. »Ich weiß … wer
Ihr seid …«
»Natürlich«, lautete die sanfte Antwort. »Jeder
kennt den Weihnachtsmann.«
»Nein«, entgegnete der Ekstatiker, und sein breites
Lächeln schwankte nie, während er sprach. »Ich
weiß, wer Ihr seid. Wer Ihr früher wart. Der Kreis
dreht sich. Er kehrt zurück. Der Verlorene. Throne
werden stürzen, Welten werden brennen, und durch
aus möglich, dass das Universum sehr bald ein Ende
findet.«
»Naja«, sagte der Weihnachtsmann und ging das
Thema umsichtig an. »Das ist ja alles sehr interes
sant, aber ich kann von hier aus riechen, wie Eure
Neuronen rösten. Also denke ich, dass ich lieber ge
he und mit jemandem rede, der sich zurzeit auf dem
selben Planeten aufhält.«
»Viele Leute sagen das«, erklärte der Ekstatiker.
Der Weihnachtsmann blickte ihm nach, als der
Mann davonspazierte, schüttelte ein paarmal den
Kopf und wappnete sich dann für seine nächsten Ge
sprächspartner, die Fremdwesen. Und anders als bei
den Ekstatikern, wo jeder Verständnis hatte, konnte
er den Fremdwesen nicht aus dem Weg gehen, ohne
einen diplomatischen Zwischenfall zu riskieren.
Fremdwesen waren heutzutage theoretisch gleich
berechtigte Teilhaber am Imperium. In der Praxis
neigten sowohl sie als auch die Menschen zu gegen
seitiger Vorsicht. Von den ungefähr ein Dutzend
Fremdwesen, die die Zeremonie besuchten, waren
die meisten als Holobilder aufgetaucht. Zum Teil lag
das an den sehr praktischen Gründen, dass sie unter
für Menschen geeigneten Bedingungen nicht ohne
eine Menge technischer Unterstützung existieren
konnten, und zum Teil, weil sich alle Beteiligten so
viel sicherer fühlten. Die Holobilder spazierten quer
durch den Hof, gaben sich größte Mühe, nicht durch
andere Leute hindurchzulaufen, und alle Welt legte
jederzeit peinliche Höflichkeit an den Tag. Insgesamt
schienen die Fremdwesen die Gründe für diese Ze
remonie wohl faszinierend, aber auch rätselhaft zu
finden. Mit Übersetzungstech konnte man letztlich
auch nicht alles erreichen.
Ein paar Fremdwesen waren persönlich erschie
nen, und die meisten Leute wünschten sich, sie hät
ten es nicht getan. Das galt besonders für die Swart
Alfair vom Planeten Mog Mor. Riesige, drückende,
fledermausartige Kreaturen, gerade mal menschen
ähnlich genug, um richtig beunruhigend zu wirken,
mit dunkel purpurfarbener Haut und gewaltigen ge
rippten Schwingen, die sie wie Umhänge um sich
falteten – so verbreiteten sie eine wahrhaft verstören
de Atmosphäre und besaßen insgesamt einfach zu
viele Zähne und Klauen. Ihren Namen hatten sie der
Mythologie der Menschen entnommen und dies da
mit begründet, dass Menschen den tatsächlichen
Namen nicht auszusprechen vermochten, ehe ihnen
nicht ein neuer Kehlkopf gewachsen war. Diese We
sen stellten erstaunliche Dinge mit Lektronen an und
mussten ihre Mahlzeiten in privatem Rahmen ver
zehren, nahmen sie doch rohe und am liebsten noch
zappelnde Lebensmittel zu sich. Mit ihren über drei
Metern ragten die drei Swart Alfair über dem Weih
nachtsmann auf, der sein Bestes tat, ihnen das Gefühl
zu geben, dass sie hier willkommen waren. Ein
schüchtern ließ er sich dabei aber gar nicht. Er hatte
zu seiner Zeit schon Furchterregenderes gesehen.
Oder so redete er es sich immer wieder ein.
Am bestürzendsten überhaupt war, dass fortwäh
rend Ektoplasma aus diesen Kreaturen hervorbrodel
te: dichter blauer Nebel von (wahrscheinlich) psioni
schem Ursprung, der eine fast gebieterisch dingliche
Präsenz verströmte. Falls man lange genug in diese
Nebelschwaden blickte, sah man Bilder dessen, wor
an man gerade dachte, sowie von Personen und Or
ten, die lange vergangen waren. Die unheimlicheren
Bilder, die dort auftauchten und wieder verschwan
den, zeigten vorgeblich das, was die Swart Alfair
dachten.
Die Esper
Weitere Kostenlose Bücher