Green, Simon R. - Todtsteltzers Rückkehr
antwortete Roland. »Das hat er wirklich.
Owen ist nie vor dem zurückgeschreckt, was nötig
war. Was es ihn auch kostete. Das Labyrinth hat ihn
in Zusammenarbeit mit dem unglaublich mächtigen
Baby dort in die Vergangenheit geschickt, über den
bleichen Horizont hinaus, und die Neugeschaffenen
folgten ihm. Sie trugen auf den schmutzigen Seitenstraßen von Nebelhafen eine letzte Schlacht aus, und
Owen siegte. Aber er verbrauchte dafür alle Kräfte
und strandete in jener Zeit, Jahre von der eigenen
Zeit entfernt. Und dann … Naja. Sieh selbst!«
Lewis und Roland fanden sich unvermittelt auf einem Platz mit nur einer Zugangsstraße in Nebelhafen
wieder. Überall lag Schnee oder schmutziger, zertrampelter Matsch, verbunden mit Dreck und Müll.
Ein dicker Nebel lag in der Luft. Es hätte bitterkalt
sein müssen, aber Lewis spürte nichts. Langsam bemerkte er, dass er und Roland selbst bleiche nebelhafte Gestalten waren, Gespenster aus der Zukunft. Ich wurde noch nicht mal geboren, dachte Lewis
langsam. »Denk daran: Wir können uns hier nicht
einmischen«, mahnte ihn Roland leise. »Wir sind nur
Zuschauer. Wir sind im Grunde gar nicht hier. Sieh
nur – es beginnt.«
Owen Todtsteltzer stolperte auf den Platz. Er atmete schwer. Die Kleidung war zerfetzt und blutig,
und ein zerlumpter Fellmantel bildete die oberste
Schicht. Owens Gesicht wirkte ausgezehrt und müde,
als wäre er schon seit Ewigkeiten gerannt. Er sah aus
wie der Tod. Er blieb stehen und bückte sich, während die Lungen heftig nach Luft saugten, und lehnte
sich dabei auf das Schwert. Er sah aus wie ein Löwe,
den Schakale jagten und peinigten. Die Laute zahlreicher Schritte kamen näher, stampften durch den
Schnee und den Matsch. Owens Kopf fuhr herum,
und er richtete sich auf und hielt Schwert und Pistole
bereit. Und so erschöpft er auch aussah, so wirkte
Owen Todtsteltzer doch in diesem Augenblick jeder
Zoll wie der Krieger, von dem Lewis schon sein Leben lang gehört hatte.
Die Tiere strömten auf den Platz, zerlumpte verkümmerte Leute mit Drogenfeuer in den Augen und
der Erwartung von Blut im Mund. Sie heulten wie
wilde Bestien und warfen sich auf Owen. Er stellte
sich ihnen entgegen und schwang das Schwert wie
der Held, der er ja auch war. Das Zahlenverhältnis
war schlecht, Dutzende auf einen, und Owen war fast
völlig ausgebrannt von dem, was er schon durchgemacht hatte. Jeder konnte dies sehen. Aber er kämpfte trotzdem, wollte sich nicht geschlagen geben, denn
er war ein Todtsteltzer, und die Todtsteltzers waren
nun mal so.
Er blies mit dem Disruptor eine blutige Schneise
in das Rudel, tötete gleich drei auf einmal und setzte
das Fell weiterer in Brand. Die Tiere griffen weiter
an. Rasch war Owen zwischen ihnen und streckte sie
mit raschen Schwerthieben nieder. Trotzdem drangen
sie weiter auf ihn ein, stießen mit Messern zu,
schwangen Ketten und zwangen Owen allmählich
zum Rückzug. Bis er nicht mehr weiterkonnte, mit
dem Rücken an einer Mauer stand. Die Tiere schrien
auf, als sie sich auf ihn stürzten und er in ihrer schieren Anzahl unterging. Weiter schwang er das
Schwert in kurzen tödlichen Hieben, trotzig bis zuletzt, bis einer das Schwert unterlaufen und ihm in
die Flanke stechen konnte. Owen schrie auf, vor
Schreck nicht weniger als vor Schmerzen, und dann
waren sie alle über ihm. Ihre Messer stießen ein ums
andere Mal in seinen Leib. Blut lief in dicken Strömen in den schmutzigen Schnee. Owens Beine gaben
nach, und er rutschte an der Wand herab. Sie drangen
immer noch auf ihn ein und stießen sich in ihrem Eifer gegenseitig weg. Sie bearbeiteten ihn mit ihren
schmutzigen Messern, und er zitterte unter dem Aufprall so vieler Hiebe. Er schrie erneut auf, aber die
Stimme ging unter im bösartigen Gebell des Rudels.
Lewis schrie auf und stürmte vor. Er schlug mit
dem Schwert auf die Tiere ein, aber sie spürten es
nicht. Er trat nach ihnen und schlug sie, aber sie
wussten nicht mal, dass er da war. Owen saß jetzt im
blutdurchtränkten Schnee; das Kinn lag auf der
Brust, und das letzte Quäntchen Blut lief ihm mit
dem letzten Atemzug über die Lippen. Jemand stahl
sein Schwert und lief damit weg. Lewis fiel auf die
Knie und weinte hilflose Zornestränen. Und auf den
Knien im Schnee, den er nicht spürte, sah er Owen
Todtsteltzer sterben. Sobald Owen tot war, stahlen
sie ihm die Schuhe.
Lewis weinte heiße Tränen. Das Schwert hing
nutzlos in seiner Hand. »Alles war
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