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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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verglichen mit festverzinslichen Wertpapieren als Alternative, immer größer, manchem vielleicht zu groß. Also schien es den Profis geraten, schon jetzt aus den Aktien auszusteigen. Ein Kurssturz um knapp 10 Prozent war die Folge dieses Ausverkaufes. Wieder einmal ein schwarzer Freitag an der amerikanischen Börse. Verständlich, dass sich mancher Marktbeobachter in den Massenmedien voll Grauen an den Oktobercrash 1987 erinnerte, als die amerikanische Börse schlagartig um über 20 Prozent in den Keller stürzte.
     
    An dem Wochenende vor dem Börsenstart von T-Online konnte man in der Frankfurter Szene die Spannung und Nervosität mit den Händen greifen. Eishockey und Fußball, sonst die wichtigsten Themen in den Kneipen und Restaurants an der Alten Oper, waren spurlos von der Tagesordnung verschwunden. Der Schlusskurs der Nasdaq, der |229| wahrscheinlichste Ausgabepreis der neuen T-Online-Aktie, die Höhe ihrer möglichen Überzeichnung und die Chancen auf eine Zuteilung, das waren die Stichworte, um die all die Stammtisch- und Thesengespräche kreisten.
    Mancher Kleinanleger, der bei der Emission der Siemens-Tochter Infineon leer ausgegangen war, hatte, gewitzt durch die schlechten Erfahrungen, gleich bei mehreren Kreditinstituten ein Konto eröffnet und T-Online-Aktien gezeichnet. So erhöhte man seine Chancen auf Zuteilung. Bekäme man mehr Anteile als ursprünglich geplant, konnten ja die überzähligen Stücke zum ersten Kurs am Montag verkauft werden. Mit Gewinn, versteht sich. Denn dass die T-Online-Aktien schon bei der Einführung mit einem deutlichen Kursplus am Neuen Markt gehandelt werden würden, das war noch wenige Tage vor der Einführung für jeden Zeichner eine Selbstverständlichkeit gewesen. Als Internetaktie zählte die T-Online doch zum innersten Kreis der heiß begehrten Börsenstars der letzten Monate, zumal sie als Schwergewicht im Index von all den Fondsmanagern gekauft werden musste, die mit ihrem Depot lediglich einen bestimmten Index abbilden, in diesem Fall eben den Index des Neuen Marktes.
     
    Nachdem am 3. April mit der Bekanntgabe der Bandbreite von 26 bis 32 Euro die Zeichnungsfrist begonnen hatte, wurde die Aktie im inoffiziellen Telefonhandel beim Düsseldorfer Makler Schnigge auch prompt per Erscheinen mit 55 Euro gehandelt.
    Zwar ist der Telefonhandel grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, weiß man doch nie, wie hoch das tatsächliche Handelsvolumen ist, das hinter den angezeigten Kursen steht, und ob der Telefonhandel von Anlegern nicht bewusst benutzt wird, um die Kurse bestimmter Aktien nach oben zu treiben. Steigende Kurse im Telefonhandel aber werden trotz dieser Fragezeichen von vielen Anlegern als Indiz dafür angesehen, dass man mit der Aktie am Tag ihrer Emission schnelle Gewinne einstreichen wird. Mithin winkt ein risikoloses Geschäft. Vorausgesetzt, man gehört zu den Glücklichen, die bei der Zuteilung bedacht wurden. Also ordert man, ohne Rücksicht auf Verluste, denn die kann es ja gar nicht geben. Die Folge: Die Überzeichnung der Neuemission wird von Tag zu Tag |230| größer, die Medien können ihr Ausmaß gar nicht laut genug hinausposaunen.
    Bei der T-Online-Aktie soll es unmittelbar vor der Emission 20 Mal mehr Kaufaufträge der Kleinanleger gegeben haben, als Aktien für sie zur Verfügung standen. Ob ein Preis von 55 Euro für die neue Aktie tatsächlich gerechtfertigt war, spielte dabei nicht die geringste Rolle. Alles in allem also ein verheißungsvoller Auftakt für die Telekom und für den Altaktionär Vater Staat, der von dem Börsenstart erheblich profitieren würde, ungeachtet der Tatsache, dass in linken sozialdemokratischen Zirkeln mit Abscheu über Zockermentalität und kapitalistische Auswüchse an den Börsen dieser Welt lamentiert wurde. Links reden und rechts leben ist eine Disziplin, in der wir Deutschen es zu einer erstaunlichen Fertigkeit gebracht haben.
    Doch die Vorfreude wich jäh bangen Sorgen, als sich die Stimmung an den Hightech-Börsen dieser Welt deutlich eintrübte und die Kurse der T-Online-Aktie am grauen Markt nachgaben. Unmittelbar vor dem ersten Handelstag der Aktie konnten wir an der Frankfurter Börse beobachten, wie auf dem Bildschirm des Telefonhändlers Schnigge der inoffizielle Kurs abrutschte bis auf das Niveau der oberen Grenze der Bandbreite von 32 Euro. All die schönen Gewinne, von denen Altaktionäre wie Kleinanleger bereits geträumt hatten, konnten in den Kamin geschrieben werden. Uns allen schwante,

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