Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
Vom Netzwerk:
nationale Alleingänge bei den Preisen schneller wieder einfingen, als es den Unternehmern lieb sein konnte. Wenn es keine dramatische Kehrtwende in der europäischen, besser gesagt, in der deutschen Stabilitätspolitik nach dem Bonner Regierungswechsel gebe, so versicherten mir die Volkswirte in den Kreditinstituten, dann werde es auf absehbare Zeit auch keinen Grund für Inflationsängste geben.
    Andererseits aber werde die weltweite Liquidität, also das Kapital, das eine attraktive Anlagerendite suche, weiter anwachsen. Vor allem in Deutschland müssten die jungen Bundesbürger doch allmählich begreifen, dass spätestens in zehn bis fünfzehn Jahren die staatliche Rentenversicherung schon wegen der demografischen Entwicklung vor dem Kollaps stehen werde, so der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Professor Norbert Walter. Dann werde jeder Erwerbstätige feststellen, dass die gesetzliche Rente nicht ausreicht, um den gewohnten Lebensstandard zu sichern.
    Folglich heiße das Gebot der Stunde: Schon heute eine private Altersvorsorge betreiben, auch wenn dies zu einem zusätzlichen Zwangssparen führt! Diese Erkenntnis sei im Grunde unstrittig, da die Politik offenbar nicht bereit sei, dieser Wahrheit ins Auge zu schauen und immer noch auf ein plötzliches Beschäftigungswunder hoffe, das alle Probleme der Sozialversicherung aus der Welt schaffe.
     
    Die Krise der gesetzlichen Rentenversicherung war nach Ansicht des Darmstädter Finanzwissenschaftlers und Rentenfachmanns Professor Bert Rürup zu diesem Zeitpunkt die am besten vorhergesagte Krise in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch hatten die verantwortlichen Politiker kurz vor der Jahrtausendwende zunächst keine Lösung parat. Erst eine Reform der gesetzlichen |224| Rentenversicherung sollte zwei Jahre später eine staatlich geförderte, freiwillige Altersvorsorge rentenversicherungspflichtiger Bundesbürger ermöglichen, die Riester-Rente, so benannt nach ihrem Urheber, dem damaligen Bundesminister für Arbeit und Soziales Walter Riester. Für Selbstständige entwickelte Bert Rürup im Auftrag der Bundesregierung fünf Jahre später die staatlich subventionierte »Rürup-Rente«, bei der während der Ansparphase Beiträge zur privaten Altersvorsorge in einem gewissen Umfang als Sonderausgaben in der Einkommensteuererklärung berücksichtigt werden.
    Doch vor der Einführung der Riester- und der Rürup-Rente bot sich als möglicher Notausgang aus dem Dilemma neben einer betrieblichen nur die private Altersvorsorge an, die jeder Einzelne für sich selber aufbauen musste.
    Angesichts der niedrigen Zinsen weltweit – hochverzinsliche Risikoanleihen exotischer Schwellenländer kamen für eine finanzielle Absicherung im Alter wohl kaum infrage –, musste nach meiner Einschätzung dieser Zwang zur privaten Altersvorsorge künftig für einen spektakulären Auftrieb an den europäischen Aktienmärkten sorgen. Sparbuch, Immobilien und Lebensversicherungen würden gleichwohl in der Gunst der Bundesbürger wahrscheinlich ihren hohen Stellenwert in der Vermögensbildung behalten – auch wenn ich bezweifelte, dass eine Immobilie in den nächsten Jahren attraktive Renditen bringen konnte, wenn niedrige Preissteigerungsraten deutliche Mietpreiserhöhungen in der Zukunft verhinderten. Und wie wollten Lebensversicherungsgesellschaften bei den üblichen Kapitallebensversicherungen die erwarteten Renditen erwirtschaften, wenn nicht – stärker als bisher – über die Aktienanlage?
    Aus meiner Sicht führten also alle Wege beim Aufbau einer privaten Altersversorgung in Richtung Aktie. Aktien waren im Grunde das ideale Instrument einer langfristigen Altersvorsorge. Nach einer Umfrage, die das Kölner Forschungsinstitut Psychonomics vor der Jahrtausendwende im Auftrag der Allgemeinen Deutschen Direktbank bei 1,5 Millionen Personen in Deutschland durchführte, nannten gerade junge Menschen an erster Stelle die Aktie als Instrument einer privaten Altersvorsorge. In der generellen Anlegergunst lag in Deutschland die Aktie mittlerweile an dritter Stelle. Spektakuläre |225| Börsengänge wie jener der Deutschen Telekom dürften mit ihrem Werberummel dazu beigetragen haben – vielleicht aber auch ein wenig die Berichterstattung in der Telebörse auf n-tv. Dass unter dem späteren Absturz der Telekom-Aktie und des Neuen Marktes auch die grundsätzliche Wertschätzung der Deutschen für die Aktienanlage zu leiden hatte, war auch für mich eine bittere Enttäuschung.

Weitere Kostenlose Bücher