Greife nie in ein fallendes Messer
jeweiligen Aktien, sind sie fein raus. Sie haben den Preis für den Verkauf des Calls kassiert und können die Aktien, die sie als Gegenleistung zum vereinbarten Preis liefern müssten, falls es der Käufer des Calls verlangt, behalten, weil die Gegenseite natürlich auf die Erfüllung des Geschäftes verzichtet. Denn wer wird schon Aktien freiwillig zu einem vorher vereinbarten Preis abnehmen, wenn der Markt einen niedrigeren Preis verlangt.
In vielen Fällen aber hat der Verkäufer eines Calls als sogenannter Leerverkäufer die entsprechenden Papiere gar nicht in seinem Depot, sondern hätte sich die Aktien zur Erfüllung seines Terminkontrakts unmittelbar vor dem Liefertermin besorgen müssen. Sind die Kurse bis zu diesem Tag aber über den vereinbarten Preis gestiegen, muss er sich die Aktien zu einem höheren Kurs besorgen. Dann hat er Pech gehabt, seine Kalkulation ist nicht aufgegangen. Allerdings bleibt ihm immer noch die Prämie, die er für den Verkauf des Calls kassiert hat.
In den letzten Jahren hatten die Spekulanten an der Terminbörse bei lang anhaltenden Kursgewinnen häufig das Nachsehen, wenn sie |157| auf sinkende Kurse gesetzt hatten. Nicht selten wurden Anleger, die am Terminmarkt spekulierten, von ihren Kreditinstituten gezwungen, entweder ihre Sicherheiten angesichts drohender Verluste zu erhöhen oder ihre Aktiendepots abzubauen, um zusätzliche finanzielle Sicherheiten für ihre Verpflichtungen aus offenen Termingeschäften bieten zu können. Mit derartigen Zwangsexekutionen muss übrigens in Baissezeiten auch der Anleger rechnen, der seine Aktien auf Pump gekauft hat und über keine zusätzlichen Sicherheiten verfügt.
Wer einmal sein Aktiendepot aus diesem Grund zu Ramschpreisen auflösen musste, wird begreifen, warum wir in der Telebörse immer wieder vor einem Aktienkauf auf Kredit warnen. Aktien sollte man zudem nur mit dem Geld kaufen, das man übrig hat, andernfalls könnte man gerade dann zum Verkauf gezwungen sein, wenn die Kurse im Keller sind.
In Zeiten sinkender Kurse, wie in der zweiten Jahreshälfte 1998, verdienten sich die Leerverkäufer von Calls eine goldene Nase. Ihre gute Laune war also mehr als verständlich.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum in Baissezeiten manche Börsianer und Anleger in eine bemerkenswerte Hochstimmung verfallen, vor allem, wenn die Kursrückgänge auf eine lange Periode steigender Kurse folgen. Ein alter Börsenspruch tröstet in der Hausse die zu spät Gekommenen mit dem Hinweis, dass man die niedrigsten Kurse zum Einstieg in der Regel nur durch Zufall erwischt. Darauf folgt häufig die Empfehlung, bei steigenden Kursen ruhig auf den fahrenden Börsenzug aufzuspringen, also »in die steigenden Kurse zu beißen«. Ein Ratschlag, der von vielen Privatanlegern nur ungern und eher zögernd befolgt wird, besonders dann, wenn es sich um Aktien handelt, die man kurz zuvor zwar mit Gewinn, aber halt zu früh verkauft hat, wie sich dann im Nachhinein häufig herausstellt.
Denn es ist wohl das Schwierigste im täglichen Leben, mithin auch an der Börse, sich selbst einen eigenen Fehler, eben den voreiligen Verkauf, einzugestehen und ihn dann zu korrigieren.
Aus meiner Erfahrung werden an der Börse vor allem beim Verkaufen große Fehler gemacht. Vielleicht sind es sogar die meisten, zumindest aber die ärgerlichsten Fehler! Grundsätzlich verstehe ich |158| meine eigene Aktienanlage im Rahmen meiner privaten Altersvorsorge als Möglichkeit einer langfristigen Vermögensbildung. Doch hin und wieder überkommt mich der Wunsch, die Buchgewinne auf meinem Depotkonto durch Verkauf zu realisieren, obwohl ich das Geld nicht unbedingt benötige. »Durch Gewinnmitnahmen ist noch nie jemand arm geworden«, weiß die Börse und vergisst hinzuzufügen, »wohl aber magenkrank vor Ärger, wenn die Kurse der gerade verkauften Aktien weiter steigen!«
Wer eine Aktie mit Gewinn verkauft und am nächsten Tag bei weiter gestiegenen Kursen seine Entscheidung umgehend revidiert, gehört in meinem Freundes- und Bekanntenkreis zu den Ausnahmen von der Regel. Wer verkauft schon ohne Grund eine Aktie und zahlt gern bei promptem Rückkauf die höchst überflüssigen Kaufspesen! Folglich hofft man nach dem Verkauf auf den kommenden Kurseinbruch, um danach – natürlich – wieder einzusteigen. Der Kursrückgang kommt bestimmt, besänftigt man seine eigenen Zweifel. Er muss doch kommen, denn sonst hätte man ja mit dem Verkauf der Aktie eine falsche Entscheidung
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