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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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getroffen. Die neuerlichen Kursgewinne nach dem eigenen Verkauf werden doch vermutlich nur ein letztes Aufbäumen gewesen sein, tröstet man sich, und den höchsten Kurs zum Ausstieg erwischt man höchstens durch Zufall. Aber wenn sich erst einmal all die negativen fundamentalen Argumente herumgesprochen haben, die man selber zur Rechtfertigung seines Ausstiegs gesucht und gefunden hat, werden die Kurse schon noch einbrechen. Dann erst, auf dem niedrigeren Niveau, wird man wieder einsteigen, doch nicht jetzt schon, bei diesem unbegründet hohen Kurs! Und um sich selbst die ernsthafte Kaufabsicht zu beweisen, wird schon einmal ein Kauflimit eingegeben.
    Von jetzt an sammelt der Anleger Tag für Tag akribisch weitere Argumente, die seinen Verkauf nachträglich begründen. Positive Hinweise, die gar für einen erneuten Einstieg in die Aktie sprächen, bleiben hingegen unberücksichtigt. Wird dann die Börse von einer Baisse geschüttelt oder bricht die entsprechende Aktie (endlich!) ein, ist die persönliche Genugtuung über »das richtige Näschen« so groß, dass der ursprünglich geplante Wiedereinstieg auf einem niedrigeren Niveau »vergessen« wird. Nicht selten ist dies nach dem fundamental |159| unbegründeten Verkauf der zweite Fehler. »Bei Erreichen streichen«, eine bekannte Erfahrung mit Kauflimits.
    Derartige Fehlentscheidungen gehören zum Börsenalltag und sollten hier auch nicht zu sehr dramatisiert werden. Im Fall der SAP-Aktie aber ist der persönliche Ärger gewaltig, zumal mir dieselben Fehler mehrfach unterlaufen sind. Dass ich mich auf dem Börsenparkett in guter und zahlreicher Gesellschaft befinde, vermag mich kaum zu trösten.
     
    Alles begann am 20. Mai 1988 mit einer kleinen Notiz in der Börsen-Zeitung . Der Software-Hersteller SAP aus dem badischen Walldorf werde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und im Herbst unter der Federführung der DG-Bank in den amtlichen Handel der Börsen in Frankfurt und Stuttgart eingeführt werden.
    Was Anfang 1972, drei Jahre vor der Gründung von Microsoft in den USA, in einem kleinen Reihenhaus in Walldorf von fünf ehemaligen IBM-Mitarbeitern ausgetüftelt worden war, hatte sich in den folgenden Jahren zu einem erfolgreichen Geschäft gemausert: Standardsoftware für die Computernutzer. Als Mitarbeiter von IBM Mannheim hatten die späteren Gründer von SAP immer wieder erfahren müssen, dass es zwar standardisierte Rechner gab, aber noch keine standardisierten Anwendungsprogramme. Mit neun Mitarbeitern wurde 1972 die SAP-Standardsoftware »System R« entwickelt, und bei einem Umsatz von etwas mehr als 600 000 D-Mark im ersten Geschäftsjahr blieb sogar ein kleiner Gewinn übrig. Zehn Jahre später standen bereits 100 Mitarbeiter auf den Lohn- und Gehaltslisten, wurden 24 Millionen D-Mark Umsatz erzielt. 1986 stellte sich SAP mit seinem Software-Programm R/2 auf der CeBIT zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit vor.
    Überrascht stellte die Fachwelt fest, dass da im Badischen ein kleines Hightech-Unternehmen den Durchbruch zur Weltspitze plante. Dem Wirtschaftsjournalisten Gerd Meissner erzählte SAP-Chef Dietmar Hopp [*] knapp zehn Jahre später, was sich SAP von |160| dem Börsengang versprochen hatte. Einmal sollten die Mitarbeiter über die Aktien am Unternehmen beteiligt werden, der Bekanntheitsgrad sollte gesteigert werden, »und schließlich haben wir unsere Kapitaldecke so verbreitert, dass wir in der Lage sind, weltweit zu investieren und uns in einem sicher schwierigen Markt glänzend zu behaupten«.
    Die kleine Meldung vom geplanten Börsengang des Software-Unternehmens SAP hatte im Frühjahr 1988 bei uns in der Redaktion keine übermäßige Resonanz gefunden. Noch waren wir alle damit beschäftigt, den Oktober-Crash 1987 aufzuarbeiten. Einige Mitarbeiter der DG-Bank aus Frankfurt sprachen zwar schon vor dem Börsengang von einem Hightech-Papier mit erheblichen Wachstumschancen, aber das Auf und Ab der großen deutschen Standardwerte beherrschte eindeutig unsere Schlagzeilen.
    Dabei hätte das kleine Walldorfer Software-Unternehmen schon damals durchaus unsere volle Aufmerksamkeit verdient. Anlässlich der Vorstellung des Unternehmens durch die Frankfurter DG-Bank wurden auf dem Börsenparkett Zahlen herumgereicht, die die Profis aufhorchen ließen: Im Jahr vor dem Börsengang hatte der Umsatz im Inland um über 40 Prozent zugelegt, immerhin arbeiteten 65 der 100 größten deutschen Industrieunternehmen schon mit der SAP-Software. Noch

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