Greife nie in ein fallendes Messer
Interessen der Belegschaft bedroht sehen. Ich kann mir nämlich keinen Unternehmer vorstellen, der nur aus Gründen der Renditemaximierung und mit einem verengten Blick auf den Börsenkurs sein Unternehmen führt.
Natürlich müssen die Interessen der Arbeitnehmer und der Gesellschaft, in der sich das Unternehmen bewegt und auf die es angewiesen ist, berücksichtigt werden. Ohne zufriedene Mitarbeiter ist kein langfristiger Unternehmenserfolg möglich. Umgekehrt darf aber auch kein Unternehmer den Wettbewerb und die Interessen der Kapitalgeber vernachlässigen. Kommt es zu Entlassungen nur aus Gründen der Renditemaximierung, wird der Protest im gesellschaftlichen Umfeld und im Betrieb selber dem Unternehmen das Produzieren und damit das Überleben erschweren. Unterbleiben hingegen betriebswirtschaftlich notwendige Umstrukturierungsmaßnahmen allein aus gesellschaftspolitischen Erwägungen, wird der Wettbewerbsdruck dem Unternehmen über kurz oder lang die Luft nehmen, wird es von seinen Aktionären wohl kaum das benötigte Kapital erhalten, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Auch in diesem Fall wäre keinem geholfen, weder den Arbeitnehmern noch den Aktionären.
Die Lösung kann also nur in einem Ausgleich aller Interessen gesehen werden. Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, dass konkrete Meldungen von Entlassungen und steigenden Arbeitslosenzahlen zu steigenden Aktienkursen der entsprechenden Unternehmen führen. |153| Die internationalen Anleger sind keine Bande von Zynikern, die eine hohe Arbeitslosigkeit mit Kursgewinnen feiern, sondern rational denkende Menschen, die bei diesem harten internationalen Konkurrenzdruck in kostensenkenden Umstrukturierungsmaßnahmen oft schlicht die einzige Überlebenschance des jeweiligen Unternehmens sehen. Ohne derartige Maßnahmen, so die Überlegung, wäre das Unternehmen bald völlig am Ende, dann gäbe es an dieser Stelle überhaupt keine Arbeitsplätze mehr, und die Aktie würde von der Kurstafel verschwinden.
Mir scheinen die heftigen kurzfristigen Kursreaktionen auf Umstrukturierungsmeldungen dennoch häufig übertrieben, weil die Anleger offensichtlich die mit den Umstrukturierungsmaßnahmen verbundenen Kosten nicht ausreichend berücksichtigen. Personalabbau in Deutschland ist nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen und mit der Zustimmung der Betriebsräte möglich. Auf diesem Gebiet eine friedliche Einigung zu finden, kostet aber viel Geld. Deshalb ist es nur logisch, dass sich tiefgreifende Kostensenkungsprogramme in der Regel erst nach vielen Jahren auszahlen.
Was mich hin und wieder zusätzlich zum Grübeln bringt, ist die offensive Art der Informationspolitik mancher amerikanischer Unternehmer, die in der Vergangenheit nicht müde wurden, die strahlenden Erfolge ihrer Geschäftspolitik lautstark auf den Markt zu tragen. In einem vierteljährlichen Ritual kamen zunächst die Fanfarenstöße der Analysten, die aufgrund ihrer Gewinnprognosen dieses oder jenes Unternehmen zum Kauf empfahlen. Schon in diesem Moment zogen in der Regel die Kurse an. Einen zweiten Schub brachten dann die Quartalszahlen, wenn sie gar noch günstiger ausgefallen waren, als die Analysten vorhergesagt hatten. Zur Freude der Aktionäre und der Manager selber, die in Amerika schon seit langem durch ein leistungsbezogenes Vergütungssystem am Erfolg ihres Unternehmens unmittelbar beteiligt sind.
Es kann zu atemberaubenden Einkommensentwicklungen bei leitenden Mitarbeitern kommen, wenn deren Vergütungen beispielsweise über Aktienoptionen an die Aktienkurse ihres Unternehmens gekoppelt sind. Dies ist grundsätzlich auch keine unvernünftige Regelung; wer ein Unternehmen mit außergewöhnlichem Erfolg |154| führt, sollte an diesem außergewöhnlichen Erfolg auch angemessen beteiligt sein. Meine Bedenken gehen in eine andere Richtung, wobei ich gar nicht einmal unterstellen möchte, dass Manager aus Gründen ihrer eigenen Einkommensentwicklung daran interessiert sind, in den Quartalsergebnissen möglichst gute Zahlen auszuweisen, um dadurch den Aktienkursen und damit ihren Optionen den nötigen Rückenwind zu verschaffen.
Aber selbst wenn die Manager solcherlei Absichten nicht hegen, besteht doch die Gefahr, dass Gewinne ausgewiesen und dann auch ausgeschüttet werden, die nach meinem Verständnis als stille Reserven im Unternehmen bleiben sollten, weil sie langfristig die Finanzkraft stärken. Vorausgesetzt, die Investitionen in das eigene Unternehmen ergeben einen Sinn und bringen
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