Greife nie in ein fallendes Messer
Aktiengesellschaften mit ihren Aktien wiederfinden. Je nach Gewichtung der einzelnen Aktien im DAX werden diese Werte ins Portfolio übernommen. Fällt ein Wert aus dem DAX heraus, weil er bezüglich Gewicht oder Umsatz bestimmten Mindestanforderungen nicht mehr entspricht, kann dies verheerende Folgen für seinen Kurs haben. In einem solchen Fall nämlich sind die Fondsmanager, die sich an diesem Index orientieren, gezwungen, diesen Wert restlos zu verkaufen.
Nach dem Beschluss der Chrysler-Aktionäre, der Fusion mit der deutschen Daimler-Benz AG zuzustimmen, geriet die Chrysler-Aktie unter starken Verkaufsdruck, weil sie aus dem Standard & Poor’s500-Index herausgenommen wurde. Die Hintergründe wurden bereits weiter oben geschildert.
Heinrich von Pierer kann mit seiner Pressekonferenz am 4. November mehr als zufrieden sein. Sein Signal ist in Frankfurt angekommen. Das abgelaufene Geschäftsjahr 1997/98 war für Siemens alles andere als ein Erfolg, aber man wird die Konsequenzen daraus ziehen und durch beschleunigte Umstrukturierungsmaßnahmen den Unternehmenswert im Sinne des Shareholder Value erhöhen. Die Börsianer sind’s für heute ebenfalls zufrieden, der Siemens-Kurs bleibt bis zum Ende des Börsenhandels über 115, ein Tagesgewinn von mehr als 12 D-Mark. Auch der DAX kann von der guten Stimmung profitieren, er legt im Tagesvergleich um mehr als 135 Punkte zu und schließt bei 4 841.
|151| Der Siemens-Wert war also nicht wie sonst ein Mühlstein am Hals des DAX, sondern dieses Mal die Hefe der Börse. Und das alles nur, weil die Unternehmensleitung plötzlich den Gedanken des Shareholder Value deutlicher als bisher in den Vordergrund ihrer Politik gestellt hat.
Wie so vieles im Börsengeschehen, kommt auch diese Art der Unternehmensphilosophie, die sich auf den Aktionär als umworbenen Kapitalgeber konzentriert, aus den USA. Danach zeigt am deutlichsten der Aktienkurs, was man vom Unternehmen und vor allem von der Unternehmensführung zu halten hat. So kann es durchaus sein, dass ein Unternehmen zufriedenstellende Umsätze und Gewinne ausweist, der Kurs aber dennoch in den Untiefen der Börse strandet, weil die Unternehmensleitung nach Ansicht von Analysten und Anlageberatern zu wenig tut, um langfristig in der Zukunft überdurchschnittliche Renditen zu erwirtschaften. Also muss das Management sein ganzes Können und Geschick einsetzen, um die Bereiche zu finden, die, verglichen mit anderen Möglichkeiten, den höchsten Wertzuwachs versprechen. In diesen Kernbereich muss dann mit geballter Kraft investiert werden. Bereiche, die bei dieser Renditeprüfung durch den Rost fallen, also nicht die höchstmögliche Rendite versprechen, sollten schleunigst abgestoßen werden, während die Kernbereiche selber durch umfangreiche Investitionen und, wenn möglich, durch Zukäufe und Übernahmen fremder Unternehmen verstärkt werden.
Hat die Unternehmensleitung bei der Auswahl des Kernbereichs das richtige Händchen gehabt, geht die Rechnung also auf, werden die erhofften Gewinne die Kasse des Unternehmens füllen. Dieses Geld steht dann dem Unternehmen für neue Investitionen und für hohe Gewinnausschüttungen in Form von Dividenden zur Verfügung. Die zufriedenen Aktionäre lohnen es mit steigenden Börsenkursen, die es dem Unternehmen wiederum ermöglichen, zu günstigen Konditionen an das zur Finanzierung des Wachstums benötigte Kapital auf den internationalen Kapitalmärkten zu kommen. Mithilfe dieses Kapitals kann dann das Unternehmen weitere Investitionen vornehmen und auf diesem Weg vorhandene Arbeitsplätze sichern oder, wenn sinnvoll, neue Arbeitsplätze aufbauen.
|152| Im Grunde ist dagegen nichts einzuwenden. Die Aktionäre als Anteilseigner oder Shareholder profitieren von hohen Dividenden und steigenden Kursen, das Unternehmen eröffnet sich über höhere Kurse günstige Finanzierungsquellen für Investitionen, die wiederum zu Wachstum und damit zu sicheren oder gar zusätzlichen Arbeitsplätzen führen.
Dennoch ist mir bei dem Gedanken, ein Unternehmen nur nach einem derartigen Shareholder Value beurteilen zu sollen, nicht ganz wohl. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich freue mich natürlich auch über steigende Kurse und über eine Unternehmensführung, die durch ein straffes Kosten- und Produktmanagement die Voraussetzungen für den Börsenerfolg schafft. Ich teile auch nicht die Ansicht der Kritiker, die durch die Betonung des Shareholder-Value-Gedankens grundsätzlich die
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