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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedhelm Busch
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dem skontroführenden Freiverkehrsmakler Michael Wilhelm mehr als 2000 Kauforders vor. Der Kurs schießt um 74 D-Mark nach oben auf 899 D-Mark. Am 13. März, es ist Freitag, abends wird es die 3 Sat-Börse geben mit dem Börsenguru Egbert Prior, steigen die Umsätze bei Mobilcom sprunghaft an. Schon zur Eröffnung werden 4 500 Stück zu je 1 080 D-Mark umgesetzt. Vor der Schranke, in der hinteren Ecke des Frankfurter Parketts beobachten wir kopfschüttelnd die nicht enden wollende Kursraserei. 1 100, 1 140, 1 150, 1 190, 1 200 D-Mark. Es scheint kein Halten mehr zu geben. Von Kauflimits ist nichts zu spüren. »100 Stück billigst«, ruft ein Makler. »Für 1 210 an |201| dich«, akzeptiert Makler Wilhelm dieses unlimitierte Kaufangebot. Innerhalb von zwei Stunden hat sich damit die Aktie um mehr als 300 D-Mark verteuert. Das entspricht einem Plus gegenüber dem Vortag von mehr als 30 Prozent. Nicht ganz unerwartet treibt dann wenige Stunden später Egbert Prior in der 3Sat-Börse mit großem Feldgeschrei, begleitet von einem erneuten Trommelwirbel, die deutschen Kleinanleger in die totale Hysterie.
    Der folgende Montag lässt uns alle auf dem Parkett an der menschlichen Vernunft der Kleinanleger zweifeln. Freiverkehrsmakler Wilhelm ist angesichts der Orderlage augenscheinlich zunächst einmal gar nicht in der Lage, schon zu Beginn der Börsensitzung einen Kurs für die Mobilcom zu errechnen. Es gibt nur wenige Verkaufsangebote, wohl aber zahlreiche Kauforders mit teilweise kleinsten Stückzahlen. Offenbar haben sich die Zuschauer der 3Sat-Fernsehsendung vom vorhergehenden Freitag richtig heiß machen lassen von Egbert Prior und haben nur noch einen Wunsch: Mobilcom kaufen, ohne Wenn und Aber.
    Von einem Kauflimit, das sich gerade nach den Erfahrungen der letzten Woche bei einem engen Wert wie Mobilcom aufdrängt, hat offensichtlich keiner etwas gehört. Natürlich sind in dieser Situation die Profis im Vorteil. Sie setzen ihre Verkaufslimits ganz oben an, und jeder, der eine unlimitierte Kauforder in den Markt gegeben hat, läuft geradewegs in diese Falle.
    Während der Frankfurter Freiverkehrsmakler Wilhelm noch mit August Schäfer von der Handelsüberwachung auf dem Frankfurter Parkett überlegt, was zu tun sei, schlägt die Berliner Börse zu. Ihr dauert das Rechnen in Frankfurt zu lange. Im Berliner Freiverkehr wird der erste Kurs der Mobilcom-Aktie schon um kurz nach 9 Uhr ermittelt. Er liegt bei 1 590 D-Mark, 375 D-Mark über dem Frankfurter Schlusskurs vom Freitag. Im Minutentakt katapultieren die unlimitierten Kaufaufträge den Berliner Kurs auf 1 850 D-Mark. Ein unglaubliches Plus von 950 D-Mark. Per Telefon erfahren wir von Berliner Kollegen vom Kursrausch an der Berliner Börse und fassen uns an den Kopf. Bei einem geschätzten Gewinn von knapp unter 5 D-Mark pro Aktie entspricht dieser Kurs einem KGV von 370.
    |202| Und immer noch versucht in Frankfurt der federführende Makler, einen fairen Preis zu finden. Erst um 10:38 Uhr steht der Eröffnungskurs fest. Er entzieht sich mit 1 760 zwar ebenfalls jeder halbwegs realistischen Begründung, liegt aber doch schon 90 D-Mark unter dem Berliner Preis.
    Das ist das Signal für die Profis, auszusteigen, notfalls auch mit Leerverkäufen einen zusätzlichen Kursdruck zu bewirken. Und jetzt geht es Schlag auf Schlag nach unten. Binnen einer Stunde rauscht in Frankfurt der Kurs in die Tiefe. Wo vorher noch dreifache Pluszeichen eine Kursexplosion angekündigt haben, tauchen nun in schneller Folge die Minusankündigungen auf. 1 700 D-Mark, 1 600 D-Mark, 1 500 D-Mark, es scheint kein Halten mehr zu geben. Die zahlreichen kleinen Verkaufsorders, auch jetzt offensichtlich unlimitiert, also nur mit dem Hinweis »bestens« versehen, lassen auf eine Panik einzelner Kleinanleger schließen.
    Erst bei 1 450 D-Mark beenden einige Profis den Absturz der Aktie und halten wieder die Hand auf. Sie kaufen die Stücke zurück, die sie vorher »leer« verkauft haben. Sie decken sich wieder ein, wie es auf dem Börsenparkett heißt. Ein schönes Geschäft. Wer bei einem Kurs von 1 850 D-Mark verkauft und sich bei 1 450 D-Mark eingedeckt hat, um die Aktien, die er vorher zwar verkauft, aber noch gar nicht besessen hat, auch tatsächlich liefern zu können, hat in knapp drei Stunden 400 D-Mark pro Stück verdient.
     
    Am Tag danach war das Gejammer groß. Einige Kleinanleger beklagten sich bei mir telefonisch oder per Fax über diese rauschhafte Achterbahnfahrt, bei der sie offenbar

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