Greife nie in ein fallendes Messer
unlimitierte Kaufaufträge zu einem völlig überhöhten Kurs abgewickelt haben.
Erst einmal Funkstille in Düsseldorf. Dann die Entscheidung der Düsseldorfer Börsenleitung: Der erste Kurs in Düsseldorf wird korrigiert. Offiziell heißt es, der betreffende Makler habe die Börse gebeten, den offensichtlich »falschen« Kurs von 280 D-Mark auf 150 D-Mark herunterzusetzen. Da grundsätzlich nur der Makler eine solche Korrektur beantragen kann, die Börsenleitung dies hingegen vom Makler nicht verlangen kann, muss der Ablauf in Düsseldorf wohl so gewesen sein.
Vermutungen auf dem Frankfurter Parkett, die Börsenleitung habe mit dem betreffenden Makler »das Gespräch gesucht«, werden |207| später offiziell nicht bestätigt. Gerüchte über diesen Ablauf in dieser Reihenfolge halten sich aber hartnäckig auf dem Frankfurter Parkett.
Auf jeden Fall steckt der Düsseldorfer Freiverkehrsmakler, der unbedingt dem offiziellen Handelsbeginn der dafür zuständigen Börse in Frankfurt zuvorkommen wollte, in der Klemme. Eindeutig hat es sowohl in Düsseldorf als auch in Berlin und an anderen Regionalbörsen einen Handel in Articon-Aktien und damit auch Kurse gegeben, bevor der Frankfurter Kurs mit 120 D-Mark festgesetzt wurde. Diese nachträgliche Kurskorrektur an der Düsseldorfer Börse könnte den Verkäufer, der die Articon-Aktien zu 280 D-Mark verkauft und sich danach und eventuell zu 250 D-Mark an der Berliner Börse wieder eingedeckt haben mag, theoretisch rund 100 D-Mark pro Stück gekostet haben. Von nachträglichen Korrekturen in Berlin haben wir in Frankfurt zumindest nichts gehört. Auch die Käuferseite in Düsseldorf, die sehr unvorsichtig wohl ohne Kauflimit in den Markt gegangen ist, hat allen Grund, mit der Herabsetzung auf 150 D-Mark unzufrieden zu sein, obwohl sie schließlich immerhin um 130 D-Mark billiger an die Aktie gekommen ist. 280 D-Mark für eine Articon-Aktie waren mit Blick auf den ersten offiziellen Kurs in Frankfurt also ein »falscher« Kurs, der korrigiert werden musste. Weshalb aber 150 D-Mark ein »richtiger« Kurs sein sollte, konnte mir hinterher keiner plausibel erklären.
Die Börsen zogen aus diesem Desaster eine entscheidende Lehre: In Zukunft würden sie bei Neuemissionen am Frankfurter Neuen Markt so lange mit der Eröffnung des Handels warten, bis der offizielle erste Kurs in Frankfurt »gemacht« war.
Am 30. November 1998 folgt dann der nächste Donnerschlag am Neuen Markt. Die Aktien der Entsorgungsunternehmen Sero und Lösch, zu einem großen Teil von der Holdinggesellschaft Euro Waste Service (EWS) kontrolliert, werden vom Handel ausgesetzt. Die ersten bösen Gerüchte machen in Frankfurt die Runde. Sieben Manager dieser Unternehmen seien verhaftet worden, heißt es. Wahrscheinlich handele es sich um Steuerhinterziehung.
|208| Am nächsten Tag lässt die Bielefelder Staatsanwaltschaft dann die Katze aus dem Sack. Spitzenmanager der Lösch AG, der Sero AG und der EWS seien nicht nur wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft genommen worden, vielmehr habe man bei den monatelangen Ermittlungen auch Unterlagen sichergestellt, die auf Kreditbetrug und Verstöße gegen das Börsengesetz hindeuteten. Es habe wahrscheinlich zwischen Unternehmen dieser EWS-Gruppe Scheingeschäfte in Millionenhöhe gegeben.
An der Börse waren Lösch und Sero als Teil der EWS-Gruppe noch im Frühjahr 1998 überschwänglich gefeiert worden. Alles, was nach Umweltschutz und Recycling schmeckte, würde sich bei einem möglichen Regierungswechsel in Richtung Rot-Grün einer erhöhten Wertschätzung erfreuen, so die Überlegungen einiger Analysten. Die Aktien der beiden Entsorgungsunternehmen waren am Neuen Markt bis auf über 70 D-Mark nach oben geschnellt, mit dem gesamten Markt im Sommer aus dem siebten Börsenhimmel abgestürzt, im November als arg unterbewertete Papiere wiederentdeckt worden und auf über 40 D-Mark gestiegen.
Sicherlich wird die Fantasie der privaten Anleger auch durch die offen diskutierten Pläne der Sero AG angeregt worden sein, Sero und Lösch mit weiteren Unternehmen aus der EWS-Gruppe zu einem der größten Recycling-Unternehmen Europas zu verschmelzen. Ganz oben auf der Gerüchteliste stand hierbei die B. U. S. Berzelius Umwelt-Service AG, die bei 30 D-Mark am geregelten Markt eher enttäuscht von einstigen Glanzzeiten zu Beginn dieses Jahrzehnts träumte, als sie noch umgerechnet 60 D-Mark gekostet hatte.
Mit der Verhaftung der
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