Grenzen setzen – Grenzen achten
die Grenze zu Gott. Wer diese Grenze überschreitet, der findet wirkliches Leben. Wir vermögen über diese Grenze zu gehen, weil Gott sie in der Menschwerdung für uns überschritten hat. Doch diese Grenzüberschreitung können wir nicht bewusst vollziehen. Sie geschieht an uns. Sie ist immer Geschenk und Gnade. Wir können uns im Gebet und in der Kontemplation nur vorbereiten. Wir können versuchen, im Glauben diese Welt zu überschreiten. Aber wie wir uns dann auf einmal jenseits der göttlichen Grenze in Gott selbst vorfinden, das können wir letztlich nicht mehr erklären. Das ist Wunder Seiner Gnade. Es ist kein bewusstes Überschreiten, sondern mehr ein Über-uns-Hinausgerissenwerden, eine Ekstase der Liebe, die mit uns geschieht, wenn wir unser Ego loslassen und uns in Gott hinein fallenlassen. Dann erfahren wir uns in Gott, sind mit Gott vereint, unvermischt und ungetrennt.
Schluss
Während wir an dem Buch über die Grenze schrieben, haben wir oft unsere eigene Grenze erlebt. Wir haben immer wieder selber gespürt, wie schwer es manchmal ist, sich richtig abzugrenzen, nicht schroff und kühl, sondern in guter Beziehung zu dem zu stehen, dem man die Grenze setzt. Und wir haben erfahren, wie oft Menschen versuchen, unsere Grenzen zu übergehen oder aufzuweichen. Es braucht eine große Klarheit, Konsequenz und eine innere Ruhe, um sich dadurch nicht verunsichern oder verärgern zu lassen.
Im Austausch über unsere Erfahrungen mit Grenzen und darüber, wie verschieden Menschen mit dem Thema Grenzverletzungen umgehen, haben wir auch immer wieder festgestellt, dass Männer und Frauen auch in dieser Hinsicht recht verschieden sind. Sobald Männer sich in ihren Grenzen verletzt fühlen, ziehen sie sich eher in ihre Höhle zurück. Sie wollen alles mit sich ausmachen. Sie bleiben in ihrer Höhle des Schweigens oder auch der Arbeit, bis die Wunde verheilt ist. Frauen haben eher das Bedürfnis, ihre Verletzungen zu besprechen. Sie möchten die Situation durch Kommunikation klären. Doch letztlich hat jeder Mensch – ob Mann oder Frau – eine andere Strategie, Grenzen zu setzen und zu achten bzw. auf Grenzverletzungen zu reagieren. Damit Begegnung gelingen kann, braucht es die Achtung vor der Verschiedenheit und Begrenztheit jedes einzelnen. Erinnern wir uns an das einleitend erwähnte Wort von Romain Rolland: Wir sollten die eigenen und die fremden Grenzen nicht nur achten, sondern sogarlieben. Das ist ein Schlüssel zum Gelingen des Lebens, ein Schlüssel zum Glück.
Wir haben auch nach dem Schreiben dieses Buches keine Garantie, dass uns das Abgrenzen immer gelingen wird. Wir spüren etwa, dass wir mit dem Älterwerden anders mit Grenzen umgehen müssen. Die Grenzen werden enger. So wird es immer eine Aufgabe bleiben, die eigenen Grenzen zu entdecken und zu schützen. Aber genauso wichtig ist es auch, ein Gespür für die Grenzen der anderen zu entwickeln und sie zu achten. Wir dürfen unsere Grenzen nicht für die anderen zur Norm machen. Jeder hat seine Grenze und seine Art und Weise, wie er mit seinen Grenzen umgeht. Darüber steht uns kein Urteil zu.
In der Beschäftigung mit dem Thema der Grenze ist uns auch aufgegangen, wie deutlich es in der Bibel und in den Märchen ausgesprochen wird: Damit das Leben des einzelnen gelingt, braucht es einen guten Umgang mit den Grenzen. Immer wieder zeigt sich in diesen alten Texten: Das Beachten der Grenzen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Beziehung gelingt und Begegnung fruchtbar wird. Begegnung gelingt, wenn ich die Grenze des anderen und meine eigene achte und zugleich immer auch überspringe. Die Begegnung lebt vom Respektieren und Überschreiten der Grenze. Wenn ich bei meiner Grenze stehen bleibe, kann ich den anderen nur von ferne betrachten. Wenn ich meine Grenze und die des anderen zu schnell überspringe, dann wird es keine Begegnung, sondern eine Vereinnahmung oder aber ein vorschnelles Verschmelzen. Wirkliche Begegnung geschieht immer an der Grenze. Ich erlebe den andern als Du in seinem Anderssein nur, wenn ich seine Grenze achte. Zugleich geschieht in der echten Begegnung immer Grenzüberschreitung. So fließt etwas zwischen dem anderen und mir hin und her. Über Grenzen hinweg findet dann einAustausch statt. Aber der Austausch setzt die Grenzen voraus. Ohne Grenzen verschwimmt alles, aber es strömt nicht hin und her. Alles löst sich auf in einen konturlosen Einheitsbrei der Emotionen.
Die Beziehung zwischen Freunden und Ehepaaren
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