Grenzfall (German Edition)
ebenso Mattie auf der anderen Seite. Nadina ist noch im Bus.
Liviu und sein Schwager sind ausgestiegen.
»Wir haben euch gewarnt.«
Wie viele sind da vorn? Nick kann es im Dunkeln nicht sehen. Einer steht im Licht der Scheinwerfer. Wieder diese schwarze Hassmaske.
»Wenn sie die Zigeunerin laufen lassen, müssen wir selbst zur Tat schreiten.«
»Sieht aus, als hätten die Baseballschläger.« Das ist Mattie, links neben ihm.
Liviu hebt die Hand. Was hat er denn da? Einen Wagenheber!
»Gebt ihr die Schlampe freiwillig raus, oder müssen wir sie uns holen?«
Liviu stürmt auf den Angreifer zu.
»Komm, Nick!« Mattie reißt ihn am Arm. »Wir müssen ihm helfen!«
Holz kracht auf Metall.
Nick sieht aus dem Augenwinkel etwas auf sich zusausen. Ein Stoß, und er liegt am Boden. Matties Stimme an seinem Ohr. »Sorry, musste sein.« Sie zieht ihn wieder hoch.
Scheinwerfer. »Scheiße, da kommen noch mehr.«
Diesmal ist keine Mattie zur Stelle. Nick kriegt einen Tritt in den Magen und kracht gegen den Bus.
Eine Hand auf seiner Schulter.
»Nein!« Er schreit, so laut er kann.
»Nikolaus, du nimmst jetzt Azim und steigst in den Bus. Sofort!«
»Jasmin!« Sie drückt ihm das Kind in den Arm. Nick reagiert, ohne nachzudenken. Nadina will an ihm vorbei, aber er verstellt ihr den Weg, steigt ein, schließt die Tür und verriegelt sie. Azim schläft tief und fest. Nick legt das Kind aufs Bett. »Das ist mein Sohn, Nadina. Wir müssen ihn beschützen.« Das scheint sie zu beruhigen. Nick klettert nach vorn.
Scheinwerfer schneiden Streifen in die Dunkelheit. Menschliche Körper taumeln ins Licht und wieder hinaus.
Mattie und Jasmin.
Schreie.
Er kann nichts sehen.
Nick fühlt sich wie eingesperrt in einer Glaskugel.
2. Juli 2012, Hansestadt Kollwitz
Wo ist Nick?
Mattie läuft ein paar Schritte rückwärts. »Nick!«
»Vorsicht! Rechts von dir.«
Sie tritt zu, ohne hinzugucken. Erwischt irgendwen oder irgendetwas mit dem rechten Fuß. Tritt nach. Weichteile. Jemand stöhnt auf.
Die Stimme. Das war nicht Nick. Das war –
Sie hat sich zu spät weggeduckt. Ein Stiefel knallt gegen ihren Unterarm. Er wird sofort taub. Ein Kopf rast auf sie zu.
Plötzlich ist er weg.
»Da vorne ist noch einer.« Kamal.
»Okay, ich bin links von dir.« Jasmin.
Träumst du, Mattie? Bist du tot?
Sie versucht aufzustehen. Der Schmerz rast durch ihren Arm.
Tot sein tut nicht so weh.
Sie geht vorwärts. Muss wissen, was da passiert.
»Liviu!«
Er blutet über der Augenbraue. Lehnt an der Fahrertür seines Wagens. »Ninja Fighters.« Er deutet nach vorn.
Schwarze Gestalten. Man hört nichts, nur ihren Atem.
Ein gesprungener Kick. Jasmin.
Kamal hat links einen in der Zange.
Die anderen beiden Ninjas müssen die Jungs von Assadi Securities sein.
»Rückzug!« Das ist der Typ mit der Hasskappe.
Rennende Schritte.
Die es nicht geschafft haben, den Ninjas zu entkommen, werden an den Straßenrand geräumt. Kamal überprüft ihren Puls. Dann gibt er Kerim und Axel eine kurze Anweisung. Sie schieben die Pkws der Angreifer ebenfalls an den Straßenrand.
»Mit dir auch alles okay?« Eine kurze Berührung an der Schulter, mehr nicht.
Mattie hält sich den Arm. »Kamal, was macht ihr hier?« Sie kann ihn nicht mal richtig sehen im Licht der Scheinwerfer.
»Sie haben mich hergefahren. Hatten einen Auftrag in der Nähe. Wir wollten euch überraschen. Nicht retten.« Jasmin legt vorsichtig ihre Hand auf Matties Arm.
»Au! – Woher wusstest du, wo wir sind?«
»Ihr seid nicht ans Telefon gegangen. Da habe ich Volker angerufen. Du musst zum Arzt.«
»Ich fahre sie. Kümmer du dich um den Rest.« Willenlos lässt sich Mattie von Kamal zum Van von Assadi Securities bringen.
Ist es wirklich erst einen Monat her, dass sie Emma ihre Möbel gebracht hat? Das letzte Training. Der letzte Abend im Dojo. Der wortlose Abschied.
»Du hast lange nicht trainiert«, sagt Kamal und startet den Wagen. »Sonst wäre dir das nicht passiert.«
»Ich habe kein Dojo mehr.« Mattie beißt die Zähne zusammen. Tut so weh. »Und keinen Lehrer.« Nicht weinen.
»Doch«, sagt Kamal. »Du hast beides.«
»Au!« Ein Schlagloch.
Weißt du, was das bedeutet, Mattie? Du hast eine Option. Du kannst in dein Shaolin-Kloster zurückkehren. Für eine Weile. Vielleicht für immer.
Sie beißt sich auf die Lippe. »Es kann ein paar Jahre dauern.«
Kamal sieht sie an. »Tu, was du tun musst, Mattie.«
Das Lachen explodiert in ihrem Bauch. Der Spruch ist so was
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