Grenzgänger
hast, sind wir ohnehin alle tot.«
Elandros drückte mich zufrieden grinsend an sich. »Deine Unschuld macht mir Spaß. Wundervoll!«
Er lachte wieder. Sein Mund näherte sich meinem Hals, berührte ihn aber nicht. Gänsehaut und Ekel krochen über meine Arme. Elandros Mund, sein Atem, berührte mich weiter, glitt höher zu meinen runden Ohren.
»Ich will nichts weiter, als es besser machen. Die Fehler ausmerzen, die IHM in seiner langen Schöpfung entstanden sind.«
»Das ist anmaßend«, murmelte ich, meine Abscheu mühsam unterdrückend. Hätte ich es nicht getan, wäre ich wahnsinnig geworden, in der Nähe dieses Monsters.
»In keinem Fall. Was meinst du, warum ER und der Herr der Hölle verschwunden sind? Warum sich unsere lieben Hühnerfreunde da oben derart die Köpfe zerbrechen, ebenso wie jeder einzelne Dämon in allen Kreisen der Hölle?«
Ich brachte es über mich, den Kopf zu schütteln.
»Weil sie sich ihres Erbes nicht bewusst sind. Die Macht liegt nun bei uns. Wir müssen sie nur nutzen. Aber außer mir und Samhiel…«, Elandros umfasste mein Kinn und drückte meinen Kopf gewaltsam in Richtung Samhiel, der mit grimmiger Miene den Vampir fixierte, »… hat es keiner begriffen. Und selbst er hatte nichts Besseres zu tun, als das Wort in diese Welt zu bringen. Er hat es in seinen Händen gehalten – und dann dir geschenkt.«
»Er hat mir nichts geschenkt.« Ich spie das letzte Wort aus. »Ich war nichts weiter als ein Versteck für ihn. Er hat mich benutzt wie meine Mutter! Ich habe das Wort nicht, ich muss es mit mir herumtragen.«
Das schien Elandros für einen Moment ins Taumeln zu bringen. Von Samhiel war kein Protest zu hören. Der Engel schwieg.
Elandros fing sich wieder. »Vielleicht umso besser für mich. Wenn du es nicht willst…«
»Lass mich los!«
Elandros weiße Augen sahen mich an. »Was?«
»Ich führe ungern Verkaufsgespräche, wenn ich das Gefühl habe, dass man mir den Arm bricht. Lass mich los und wir verhandeln in Ruhe.«
Der Griff um meinen Arm lockerte sich tatsächlich. Die Stelle fühlte sich kalt und taub an. Abwesend massierte ich mir mit der anderen Hand darüber. »Einen Konferenztisch werde ich wohl nicht bekommen«, murmelte ich. Ein lahmer Scherz. »Dafür aber vielleicht etwas Intimsphäre. Ich möchte das gerne mit dir allein besprechen, nur mit Samhiel als Zeugen. Er soll sich in Ruhe anschauen, was er mir da gegeben hat.« Die Lüge ging mir leicht über die Lippen – ich konnte das Wort nicht diesem Scheusal überlassen. Und wenn ich dafür bis zum Äussersten gehen musste.
Der Engel stemmte sich gegen seine Flügel. Ich sah sie jetzt zum ersten Mal ganz. Groß, weiß und ein wenig zerrissen, weil sie irgendwie an der Wand fixiert waren. Tatsächlich, flüsterte etwas in mir träumerisch, als ich sah, wie Wut und Fassungslosigkeit sein schönes Gesicht verzerrten. Tatsächlich sechs Flügel.
»Das kannst du nicht tun!«, schrie er mir entgegen.
Ich hob die Braue. »Kann ich nicht?«, fragte ich, an Elandros gewandt. Mein dämonischer Begleiter lächelte nur wissend.
»So wie es aussieht, kannst du tun, was immer du willst«, erwiderte er amüsiert und betrachtete Samhiels Wutausbruch, als sei er ein exotisches Tier im Zoo.
Dann winkte er Roumond zu. Ich sah ihn aus den Augenwinkeln an Fengs Fesseln hantieren; kurz darauf war der Drache frei und stand. Seine Konturen bewegten sich, waberten, aber ich hob die Hand. »Geh raus. Mit Roumond. Warte dort auf mich.«
»Feline, du kannst nicht…«
»Mir sagen seit drei Tagen alle möglichen Leute, was ich kann, oder nicht kann!«, schnitt ich ihm scharf das Wort ab. »Jetzt entscheide ich, was davon stimmt. Nicht du!«
Feng grollte hörbar, aber ich ignorierte es ab. Mein Blick blieb auf Samhiel haften. Er versuchte noch immer, sich zu befreien.
Eine Tür wurde geöffnete, Schritte waren auf dem Beton zu hören. Dann das Knallen der gleichen Tür. Wir waren allein. Jetzt konnte es beginnen.
Kay stürmte durch die Tür des Bordells. Es war leer. Weder Türsteher, noch Gäste oder Bluthuren waren anwesend. Er durchsuchte die einzelnen Zimmer, fand aber keine lebende oder tote Seele vor.
Der Fey lief weiter, bis zu Elandros Büroräumen. Auch hier war niemand. Er wollte sich gerade umdrehen, als etwas klickte und sich eine Tarnwand zur Seite schob. Eine Person kam durch den schmalen Spalt dazwischen. Kay reagierte sofort – er brachte die kurze Entfernung hinter sich, holte aus und schlug Roumond
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