Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
die vermutlich mehr Männer gehabt hatte als hundert Huren zusammen. Außerdem ging es um Politik – die Söhne der Lords kamen ungeschoren davon, während ich als entbehrlich eingestuft wurde. Wurde mir gesagt.«
»Wurde Ihnen gesagt«, wiederholte ich stirnrunzelnd.
Groskin verzog die Lippen. »Dann tauchten Sie und die Katze auf und sagten, wir alle würden verwandelt. Wir würden genauso zu Magischen werden wie die Bewohner der Grenzlande. Behaupteten, ich wäre genauso wie diese Fee.« Er sah mir in die Augen. »Wenn das stimmte, zu was machte mich das dann?«
»Zu jemandem, der untätig zugesehen hatte, wie eine Person von einer Horde betrunkener Soldaten vergewaltigt worden ist«, sagte ich und konzentrierte mich wieder auf den Leutnant.
Groskin schloss die Augen. »Genau.«
»Der sie anschließend in ihrem Schmerz und ihrem Entsetzen zurückgelassen hat, das so groß war, dass sie ihrem Leben ein Ende machte.«
»Ja.«
Ich hob die Hand. Die Rune glühte in dem Dämmerlicht der Kabine. »Kein Wunder, dass Sie durchgedreht sind.«
Groskin riss die Augen auf. Argwohn zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
»Sagen Sie, hat dieser Feuer-Faena Sie mit so etwas berührt?«
Groskin nickte und erschauerte, nach wie vor misstrauisch.
»Und die anderen nicht?«
Groskin schüttelte den Kopf. »Sie … der Kommandeur und der Faena sagten, da ich der ranghöchste Offizier gewesen wäre …«
»Was zum Teufel hat das zu bedeuten, wenn man eine Untersuchung durchführt?«, unterbrach ich ihn.
Groskin schüttelte den Kopf. »Das haben sie gesagt.« Sein Blick blieb starr auf meine Handfläche gerichtet.
»Keine Angst, ich habe nicht vor, Sie anzufassen.« Ich ließ meine Hand sinken, und Groskin stieß erleichtert den Atem aus. Ich starrte einen Moment über die Schulter des Leutnants hinweg auf die Wand der Kabine, bevor ich meinen Blick wieder auf ihn richtete. »Also hat der Faena Ihnen die Wahrheit gezeigt, aber Sie haben es eine Lüge genannt und ignoriert.«
»Ja«, gab Groskin zu.
»Dann haben Sie das Gleiche bei mir gemacht. Sie haben zugesehen, wie Slevoic mich nach Herzenslust schikaniert hat. Und deshalb fühlte sich der Scheußliche stark genug, dass er Basel ermorden konnte.«
»Ich weiß.« Groskins Zustimmung überraschte mich. »Als ich sah, dass Basel tot war, war mir, als hätte sich ein Nebel gehoben, und ich konnte klar und deutlich erkennen, was ich getan hatte …«
»Das glaube ich. Alle sechzehn Geweihspitzen lagen vor Ihnen, und seine Kehle war aufgeschlitzt.«
»… ich dachte, das war’s. Meine Tage in der Königlichen Armee wären vorbei.«
»Ihre ›Tage in der Königlichen Armee‹? Slevoic hat Basel umgebracht, und Sie haben sich nur wegen Ihrer Karriere Sorgen gemacht?«
Groskin nickte erneut, sah zunächst mich und dann Basel an und blickte dann weg. »Nach Basels Bestattung kam die Faena-Katze zu mir.«
Diese Wendung in der Unterhaltung verblüffte mich. »Und?«, erkundigte ich mich zurückhaltend.
Er betrachtete seine Fingernägel. »Sie tragen diesen verdammten Zopf und Ihre schicken Kleider, essen kein Fleisch und pfeifen auf jeden, dem das nicht gefällt. Aber mich interessiert, was die Leute denken.«
Ich merkte, dass mein Mund offen stand, und schloss ihn mit einem hörbaren Klacken meiner Zähne.
»Das heißt, nicht so sehr, was sie denken, als vielmehr, was sie sehen.«
»Sie meinen, Äußerlichkeiten«, stieß ich hervor.
»Ja, so ähnlich.« Groskin verzog spöttisch den Mund. »Ich hatte immerhin Beziehungen zu dem Doyen von Dornel und durch ihn Verbindungen zu allen möglichen Autoritäten, einschließlich Obruesk. Gott bewahre, dass ich etwas tat, was ein schlechtes Licht auf die Kirche werfen könnte.«
Meine Lippen bildeten ein O, als ich verstand.
»Es ist aber ziemlich anstrengend, immer perfekt zu sein.«
»Hm …«
Groskin lachte krächzend. »Ja, die Katze sagte, da ich nicht einmal annähernd perfekt wäre, bräuchte ich auch keine Angst zu haben, jemanden zu enttäuschen, wenn ich den Versuch aufgeben würde, es zu sein.«
Die Sorge durchfuhr mich wie ein kleiner Stich, als ich begriff, dass ich Groskins wahres Selbst sah.
Groskin lächelte wieder spöttisch. »Und er bot mir an, mit mir daran zu arbeiten, sozusagen unter uns Katzen, hm, damit ich endlich aufhören könnte, denselben verfluchten Fehler immer und immer wieder zu machen, aus Angst zu versagen.«
Der Stich wurde zu einem ausgewachsenen Krampf, und selbst Basel lehnte an
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