Grenzlande 1: Die Verpflichtung (German Edition)
an Verschlagenheit. Aber ihm fehlt etwas Entscheidendes.« Jusson sah mich scharf an. »Und jetzt weiß ich, wohin das alles gegangen ist.«
Leises Lachen brandete auf, und mein Blick zuckte zu den Höflingen. Das Lachen erstarb.
»Sie stören dich?«
»Ja.«
»Warum?«
»Ihr Humor ist nicht der meine, Cousin.«
König Jusson lehnte sich auf dem Diwan zurück, seufzte und faltete die Hände über seinem Bauch. Ich registrierte, dass das Funkeln aus seinen Augen verschwunden war, und ich atmete erleichtert auf. Aber ein anderer Teil von mir unterdrückte diese Erleichterung.
Jusson lachte kurz. »Du bist entschlossen, nicht eine Elle nachzugeben, richtig?« Er seufzte wieder. »Das ›Eichhörnchen‹ war ein Scherz, Hase, genauso wie der Schabernack des Majors in der Offiziersmesse.«
Ich zuckte zusammen, als der König den Scherz von heute Morgen erwähnte.
»Vielleicht war es ein wenig leichtsinnig, ein wenig geschmacklos. Aber es war nicht wirklich böse. Selbst der Ausdruck ›Hexerei‹ entsprang mehr Furcht als Bosheit. Ich möchte meinen, dass du nach drei Jahren mit Slevoic wissen solltest, wie Bosheit aussieht.«
Jetzt fühlte ich mich recht klein, während ich auf meinem Stuhl herumrutschte. Ich wusste sehr genau, wie Bosheit aussah, und Jusson hatte recht, hier gab es keine.
»Als König, Hase, lernt man sehr schnell, welche Kämpfe sich lohnen, ausgefochten zu werden, und welche nicht. Mir will scheinen, dass du das noch nicht so recht begriffen hast. Obwohl du das eigentlich wissen solltest, mit sechs älteren Brüdern und Schwestern, schon aus Notwehr.«
»Und fünf Jahren unter Leutnant Groskin, Sire«, mischte sich der Lordkommandeur überraschend ein. Erschreckt blickte ich hoch und begegnete dem Blick seiner grauen Augen. Zu meiner Überraschung zwinkerte er mir zu.
Diesmal lachte der König. »Allerdings, Thadro.« Sein Lachen verstummte, als er mich ansah. »Also?«
Ich erwiderte kurz den Blick des Königs, senkte den Kopf und beugte mich über meine Hand. »Ihr habt recht, Sire … Jusson. Es ist nur so …«
»Ich werde dir gleich befehlen, diese Worte aus deinem Wortschatz zu streichen, Hase.«
»Jawohl, Cousin.«
Jusson seufzte wieder. »Also, sag es mir: Was ist nur so?«
»Ich bin mir keiner Sache mehr sicher.« Ich wunderte mich, dass ich das zugegeben hatte, und fuhr mit einem Finger über die Rune.
»Verstehe«, meinte Jusson.
Es war still, während ich dasaß und über die Rune auf meiner Handfläche strich. Ich erinnerte mich an etwas aus meiner Zeit als Zauberlehrling, bevor ich weggelaufen war. Einmal zur Erinnerung, zweimal zur Bestätigung, dreimal, um es festzuschreiben. Ich strich zum dritten Mal über die Rune und spürte, wie sie warm wurde.
»Zeig sie mir, Cousin.«
Ich streckte meine Hand aus. Jusson packte sie und zog sie zu sich. Er beugte sich darüber und strich mit seinem Finger über die Rune, die sofort warm wurde. Er beobachtete einen Moment, wie sie schimmerte, dann ließ er mich los, lehnte sich zurück und nahm den Brief in die Hand. »Wäre ich ein grausamer Mann, würde ich dir sagen, dass ich darüber nachdenken müsste und dir in ein oder zwei Tagen meine Entscheidung mitteilen ließe. Oder in einer Woche. Aber ich bin nicht grausam, jedenfalls nicht unnötigerweise. Außerdem bin ich nicht geneigt, einen Verwandten zu zwingen, zu jemandem zurückzugehen, vor dem er geflohen ist, ob er nun ein unausgebildeter Magier ist oder nicht, also werde ich dieses Ersuchen ablehnen.« Ein Ausdruck des Ekels zuckte über sein Gesicht, als er den Brief wieder zur Seite legte. »Abgesehen davon hat der Magus den Vogel verzaubert, den er benutzte, um den Brief hierherzubringen, damit er weder ruhte noch fraß, bis er mich erreichte. Er starb in meiner Hand.« Er zog die Brauen so weit zusammen, dass sie sich trafen, als er mich anstarrte. Das Gold in dem Schwarz seiner Augen leuchtete. »Du wirst bei deiner Truppe bleiben, Cousin, und deinen derzeitigen Rang behalten sowie sämtliche Eide respektieren, die du abgelegt hast. Schwörst du das?«
Die Rune flammte erneut auf, als jemand keuchte. Sobald ich merkte, dass ich es war, biss ich mir so fest auf die Lippe, dass sie blutete. »Ja.« Es kam wie ein Schluchzen aus meinem Mund, also schluckte ich und versuchte es noch einmal. »Ich schwöre es, Euer Majestät.« Ich schluchzte noch einmal. »Sic!«
32
Ich stolperte zu der Kutsche, die einer der königlichen Haushofmeister-Zwillinge zum
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