Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
der Angriff auf dem Theaterplatz kam nicht von Rosea oder Rodolfo, Sire«, nuschelte ich jetzt. »Sie standen neben mir und waren ebenso überrascht wie ich, als es passierte. Und es kann auch nicht Gwynedd gewesen sein, denn es war die Hand eines Mannes, nicht einer Frau.«
Arlis stieß einen Laut der Überraschung aus, und die Ratsältesten rutschten unruhig auf ihren Stühlen herum. »Dieser Zwischenfall auf dem Theaterplatz hat sich ereignet, weil jemand Sie mittels Magie angegriffen hat, Lord Hase?«, erkundigte sich Friedensrichter Ordgar zögernd.
Ich blinzelte, als mir klar wurde, dass diesmal ich etwas verraten hatte, was bisher nicht der Öffentlichkeit bekannt gewesen war. »Ich …«
Jusson ließ sich jedoch nicht beirren. »Ein Hexer hat versucht, Hase zu binden, aber der konnte den Angriff abwehren. Wer war es, Mistress Gwynedd?«
»Ibn Chause hat gerade gesagt, es wäre kein Schauspieler gewesen, Sire«, warf ein Adliger ein.
»Nein«, widersprach Jusson. »Hase hat gesagt, es wären weder Rodolfo noch Rosea oder Gwynedd gewesen. Aber wer hat gesagt, dass der Angreifer einer der drei gewesen sein muss?«
»Wenn das stimmt, Euer Majestät«, mischte sich Beollan ein, »dann könnte es jeder auf dem Platz gewesen sein. Und allen Berichten zufolge war er zu diesem Zeitpunkt sehr gut besucht.«
»Es kann nicht jeder gewesen sein«, sagte Jusson. »Laurel sagte, der Hexer musste zwingend in Sichtweite sein und Hase deutlich sehen können. Aber er musste auch unverdächtig wirken. Welcher Ort wäre besser dafür geeignet als eine Bühne? Niemand würde Argwohn einem Schauspieler gegenüber schöpfen, der auf der Bühne steht, ganz gleich, was er tut.«
Ich schluckte zwischen zwei Bissen. »Der Vorhang war geschlossen, Sire. Er wurde heruntergelassen, als das Stück abgebrochen wurde.«
»Noch besser«, meinte Jusson. »Ein unauffälliger Vorhang, selbst wenn er einen Spalt geöffnet blieb, damit jemand hindurchsehen konnte. Das Spiel wird unterbrochen, und Rodolfo und Rosea halten dich auf, bevor du weggehen kannst, damit du in Sichtweite der Bühne bleibst.« Der König lächelte erneut. »Ich würde vermuten, dass Rodolfos und Roseas Überraschung nicht der Tatsache entsprang, dass du angegriffen wurdest, Hase, sondern dass du den Angriff zurückschlagen konntest.«
Gwynedds Gesicht hatte sämtliche Farbe verloren. »Euer Majestät, wir sind nur einfache Wanderschauspieler …«
»Nichts an Ihnen ist einfach«, unterbrach Jusson sie. »Sagen Sie mir, woher Sie Gawell und Ednoth kannten.«
Gwynedd schloss fest die Augen, und ihre Lippen zitterten, während Tränen unter ihren Lidern hervorquollen. »Euer Majestät …«, begann sie.
»Sie sind miteinander bekannt«, mischte sich Friedensrichter Ordgar ein. Er hielt es vermutlich für besser, es selbst zu erzählen, als es auf den Kopf zugesagt zu bekommen. »Es war Gawell, der ihre Lizenz bezahlte, damit sie spielen konnten.«
»Hat er das getan?«, meinte Jusson. »Warum?«
Ordgar sah auf den Tisch, offenbar fasziniert von der Maserung des Holzes. »Als Geschenk für Lord Hase, Euer Majestät. Alle wussten von Hases Vorliebe fürs Theater, und Gawell meinte, die Darbietung würde Frestons Ehrerbietung gegenüber dem Thronfolger des Königs demonstrieren, der schließlich die letzten fünf Jahre bei uns gewesen war.«
»Das hat er gesagt?«, fragte ich ungläubig. Die Adligen um mich herum und selbst einige Königstreue sahen den Friedensrichter fassungslos an.
»Das können sie doch nicht wirklich geglaubt haben«, meinte Beollan. »Oder?«
»Nein«, sagte Jusson. »Sie sind weder Idioten noch naiv.«
Ich starrte die Leute an, unter denen ich über fünf Jahre gelebt hatte, ohne zu begreifen, wie stark sie mich als Fremdling abgelehnt hatten und wie leichtherzig sie mich opfern würden. Wyln legte die Hand auf meine Schulter und schob eine große Schüssel Haferschleim vor mich. Ich warf einen finsteren Blick darauf, bereit, sie hochzuheben und an die Wand zu schleudern. Dann knurrte mein Magen; ich unterdrückte einen Seufzer und griff zum Honigtopf. Dabei bemerkte ich Arlis’ Schatten auf dem Tisch, und mir fiel siedend heiß wieder ein, wie er neben mir gestanden hatte, als Rosea das erste Mal geknickst hatte und ihre Knöchel entblößte.
Ich umklammerte den Honigtopf unwillkürlich fester. »Warst du auch in diese Sache verwickelt, Arlis?«, fragte ich.
Arlis’ Schatten schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht
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