Grenzlande 2: Die Königstreuen (German Edition)
eines Königstreuen überlassen hatte. Es war schon drei Tage her, seit ich in die Königliche Garde aufgenommen worden war, aber ich kannte immer noch nicht die Namen der Königstreuen, ganz zu schweigen davon, dass ich nicht wusste, wie sie als Menschen einzuschätzen waren. Der Gardist, der hinter Gwynedd stand, war für mich nur ein Gesicht in einer Reihe. Er starrte mit leicht höhnischer Miene über meinen Kopf hinweg, und ich fragte mich, ob er damit seine Meinung über mich oder Gwynedd deutlich machen wollte. Dann wurde mir klar, dass er Arlis ansah.
»Gardist Hugh«, sagte Thadro leise, und Hughs Miene wurde schlagartig ausdruckslos.
Statt sich in die Nähe des Königs zu setzen, wählte Wyln einen Platz dicht neben mir. Als ich ihn musterte, bemerkte ich das leichte Zittern seiner schlanken Hände, und ich wollte ihn gerade etwas wirklich Kluges fragen, zum Beispiel, wie es ihm denn so ginge, als ich von Geräuschen an der Tür abgelenkt wurde. Diener kamen mit Essen, und ich schob alle Gedanken an meinen verwundeten Cyhn, betrügerische Freunde und korrupte Städter beiseite. Kurz darauf stand ein voller Teller vor mir, und ich fiel mit Messer und Gabel über ihn her. Ich ignorierte die Blicke derer, die gesehen hatten, dass ich erst kurze Zeit vorher genug gegessen hatte, um eine ganze Kompanie Gardisten satt zu machen. Beol lans Aufmerksamkeit dagegen richtete sich ausschließlich auf das wachsende Waffenarsenal auf dem Tisch.
»Wir marschieren zur Garnison, Euer Majestät?«, fragte er.
»Sobald Hase zu Ende gegessen hat«, erklärte Jusson.
»Oh«, meinte Beollan. »Ich dachte, wir hätten es eilig gehabt, dorthin zu kommen.«
»Das stimmt auch«, bestätigte Jusson. »Und zwar deshalb, weil ich nicht wusste, was meinen Soldaten widerfahren war. Und weil ich mir Sorgen machte, was passieren würde, nachdem Meister Rodolfo in der Kirche auferweckt worden war … Ah«, er wandte sich an Gwynedd. »Das wussten Sie, nicht wahr? Haben Sie gelauscht oder haben Sie auf anderem Weg davon erfahren?«
Bisher hatte Gwynedd, wann immer ich ihr begegnet war, nie ihre Selbstbeherrschung verloren, nicht einmal beim Anblick ihres ermordeten Bruders. Aber jetzt riss die Schauspielerin die Augen auf. »Rolly wurde auferweckt, Euer Majestät?«, stieß sie hervor. »Er ist nicht tot …«
»Die Rolle der Unschuld vom Lande ist bereits vergeben«, meinte Jusson und deutete mit einem Nicken auf Arlis. »Er hat sie ebenfalls nicht sonderlich überzeugend gespielt. Also, wählen Sie eine andere Rolle.«
Wyln hob den Kopf und richtete seinen leeren Blick auf Jusson. Beollan und Ranulf, die mir gegenübersaßen, erstarrten, ebenso wie Friedenshüterin Chadde, die neben Thadro stand. Ich kaute langsamer, während mein Blick zwischen dem König und der Schauspielerin hin- und herglitt.
Gwynedd verschluckte sich fast an ihrem Keuchen. »Euer Majestät?«
»Ich habe Sie gestern im Arbeitszimmer des Doyen beobachtet, Mistress Schauspielerin«, meinte Jusson. »Sie waren sehr überzeugend in der Rolle als trauernde Schwester, denn fast alle haben Ihnen geglaubt und sind fast übereinandergestolpert, um Sie zu trösten.«
»Gewiss, Sire, aber ist das nicht ein wenig hart formuliert?«, erhob Beollan fragend seine Stimme.
Jusson machte sich nicht die Mühe, ihm zu antworten. »Sehen Sie?«, fragte er Gwynedd. »Ein Hoher Lord, erfahren in den politischen Intrigen des Königreiches, lässt jeden gesunden Menschenverstand fahren, um Sie zu verteidigen. Selbst meine Friedenshüterin ist Ihnen auf den Leim gegangen.«
Ein schwaches Lächeln überflog Chaddes Züge. »Trotz aller Anspielungen und Beleidigungen, Euer Majestät, genieße ich es nicht nur, eine Frau zu sein, sondern ich genieße auch Männer.« Sie vermied es tunlichst, Thadro anzusehen. »Sehr sogar.«
»Ach ja?«, erkundigte sich Jusson. »Trotzdem haben Sie sich wie alle anderen täuschen lassen.« Seine Miene verfinsterte sich einen Moment. »Ich selbst verstehe es nicht – so hübsch ist sie wirklich nicht.«
Wyln lachte leise. »Jusson Ivers Sohn ist wirklich noch jung«, murmelte er mir ins Ohr.
Ich vermutete, dass bei einer Rasse, deren Angehörige normalerweise erst heirateten, nachdem sie ihr drittes Jahrhundert erreicht hatten, Jusson als Säugling galt. Aber ich konnte mir auch denken, dass das hier nicht der richtige Zeitpunkt war, um gewisse Aspekte von Jussons Reife zu diskutieren, also bemühte ich mich um eine ausdruckslose Miene.
»Das
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