Grieche sucht Griechin - Grotesken
straffte sich die Gestalt des Großindustriellen, seine Stimme klang mächtig und kalt.
»Sie fragen, warum ich Sie zum Direktor ernannt habe. Es sei, ich will Ihnen die Antwort geben: Um die Freiheit nicht nur zu predigen, sondern auch durchzuführen. Ich kenne meine Angestellten nicht, begreife sie nicht, sie scheinen sich doch wohl nicht völlig zum rein geistigen Verstehen der Dinge durchgerungen zu haben, Diogenes, Albert Schweitzer, Fran-ziskus scheinen nicht ihre Ideale zu sein im Gegensatz zu mir.
Sie wollen die Meditation, das dienende Helfen, die Beglük-kung der Armut für das Blendwerk des sozialen Flitters hinge-ben. Nun gut, man gebe der Welt, was sie will. Diese Regel des Laotse habe ich stets beachtet. Darum gerade habe ich Sie zum Direktor ernannt. Damit auch in diesem Punkt Gerechtigkeit herrsche. Wer von der Pike auf dient, wer die Sorgen und Nöte der Angestellten von Grund auf kennt, soll auch Direktor sein.
Ich plane das Gesamtunternehmen, doch wer mit den Buch-und Oberbuchhaltern, mit den Sekretären und den Sekretärinnen, mit den Ausläufern und Putzfrauen des Verwaltungsappa-rats in Berührung kommt, soll auch aus ihrer Reihe stammen.
Direktor Zeus und Direktor Jehudi stammen nicht aus ihren Reihen, ich habe sie der inzwischen ruinierten Konkurrenz einst abgekauft als fix und fertige Direktoren. Laß fahren dahin. Es ist Zeit, daß wir unsere westliche Welt radikal verwirklichen. Die Politiker haben versagt. Versagt nun auch die Großindustrie, geht alles zu Grunde, lieber Herr Agamemnon.
Nur schöpferisch ist der Mensch ganz Mensch, Ihre Ernennung stellt einen schöpferischen Akt dar, eine Tat des schöpferischen Sozialismus, den wir dem unschöpferischen Kommunismus entgegenstellen müssen . Das ist alles, was ich Ihnen zu sagen habe. Von nun an sind Sie Direktor, Generaldirektor. Doch zuerst nehmen Sie Ferien (fuhr er lächelnd fort), der für Sie bereitgestellte Scheck liegt an der Kasse. Richten Sie sich ein.
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Sah Sie neulich mit einer entzückenden Frau –«
»Meine Braut, Herr Petit-Paysan.«
»Sie sind im Begriff, sich zu verheiraten. Ich gratuliere Ihnen. Tun Sie es. Leider ist mir dieses Glück nicht beschieden.
Ich ließ Ihnen ein Generaldirektoren-Jahresgehalt bereitstellen, wird auch noch verdoppelt, da Sie ja nun auch die Geburtsan-zeigenabteilung zur Atomkanonenabteilung übernehmen –
habe ein wichtiges Gespräch mit Santiago zu führen –, leben Sie wohl, mein lieber Herr Anaxagoras …«
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Kaum hatte Generaldirektor Archilochos, einst UB122GZ31, vom Sekretär zum Lift begleitet, den heiligsten Bezirk des Verwaltungsgebäudes verlassen, wurde er wie ein Fürst empfangen, von Generaldirektoren pathetisch umarmt, von Direktoren mit Bücklingen begrüßt, Sekretärinnen gurrten, schmei-chelten um ihn herum, von ferne schlichen Oberbuchhalter herbei, irgendwo lauerte OB9GZ, triefend vor Ergebenheit, und aus der Atomkanonenabteilung wurde auf einer Bahre Direktor Jehudi getragen, in einer Zwangsjacke offensichtlich, nun erschöpft, ohnmächtig. Es hieß, er hätte das ganze Mobiliar seines Büros zertrümmert. Doch lockte Archilochos nichts als der Scheck, den er denn auch gleich in Empfang nahm. Wenigstens was Sicheres, dachte er, immer noch mißtrauisch, beförderte OB9GZ zum Vizedirektor der Geburtszangenabteilung, die Nummern UB122GZ28, UB122GZ29, UB122GZ30 zu Buchhaltern, gab noch einige Anweisungen, die Geburtszan-genreklame im Kanton Appenzell Innerrhoden betreffend, und verließ das Verwaltungsgebäude.
Nun saß er in einem Taxi, zum ersten Mal in seinem Leben, erschöpft, hungrig, verwirrt von seinem rasenden Aufstieg, und 52
ließ sich zu Madame Bieler fahren.
Die Stadt lag unter einem klaren Himmel in eisiger Kälte.
Überdeutlich waren die Dinge im grellen Licht, die Paläste, die Kirchen, die Brücken, die große Fahne über dem Staatspräsidenten-Palais wie erstarrt, der Strom wie ein Spiegel, die Farben lagen nebeneinander ohne ineinander zu fließen, wie abgezirkelt lagen die Schatten auf den Straßen und Boulevards.
Archilochos betrat die Pinte, die Türe klingelte wie immer, und er zog seinen schäbigen Wintermantel aus.
»Mein Gott«, sagte Georgette hinter ihrer Theke, sich eben einen Campari einschenkend, von Flaschen und Gläsern umgeben, die im kalten Sonnenlicht funkelten: »Mein Gott, Monsieur Arnolph! Was ist denn jetzt nur los mit Ihnen? Sie sehen müde und bleich aus, übernächtig, und besuchen uns um eine Zeit, wo Sie
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