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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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doch längst in Ihrer Menschenschinderei beschäftigt sein sollten! Stimmt etwas nicht? Haben Sie zum ersten Mal mit einer Frau geschlafen oder Wein getrunken?
    Sind Sie entlassen worden?«
    »Im Gegenteil«, sagte Archilochos und setzte sich in seine Ecke.
    Auguste brachte die Milch.
    Was hier ›im Gegenteil‹ heiße, fragte Georgette verwundert, sich eine Zigarette anzündend und den Rauch in die schrägen Sonnenstrahlen blasend.
    »Ich bin diesen Vormittag zum Generaldirektor der Atomkanonen- und Geburtszangenabteilung ernannt worden. Von Petit-Paysan persönlich«, berichtete Archilochos immer noch außer Atem.
    Dann brachte Auguste eine Schüssel Apfelmus, Nudeln und Salat.
    »Hm«, brummte Georgette, die von der Angelegenheit nicht einmal besonders erschüttert schien: »Und wieso?«
    »Aus schöpferischem Sozialismus.«

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    »Auch etwas. Und wie war es gestern mit der Griechin?«
    »Wir haben uns verlobt«, sagte Archilochos verlegen und errötete.
    »Das ist vernünftig«, lobte Madame Bieler. »Was ist sie denn von Beruf?«
    »Dienstmädchen.«
    »Muß eine merkwürdige Stelle sein«, meinte Auguste, »wenn sie sich einen solchen Mantel leisten kann.«
    »Ruhe!« wies ihn Georgette zurecht.
    Sie hätten einen Spaziergang gemacht, erzählte Arnolph, und alles sei so sonderbar gewesen, so eigenartig, fast wie im Traum. Alle Leute hätten ihn plötzlich gegrüßt, aus Autos heraus und von Autobussen herab, der Staatspräsident, Bischof Moser, der Maler Passap und der amerikanische Botschafter, der ihm Hallo zugerufen habe.
    »Aha«, sagte Georgette.
    »Auch Maître Dutour grüßte«, fuhr Arnolph fort, »und Hercule Wagner, wenn auch nur mit einem Zwinkern.«
    »Mit einem Zwinkern«, wiederholte Georgette.
    »So eine«, brummte Auguste.
    »Schweig«, herrschte ihn Madame Bieler an, so heftig, daß er sich mit seinen flimmernden Beinen hinter den Ofen verkroch.
    »Du hast hier gar nichts zu bemerken, das ist keine Männeran-gelegenheit! Und nun wollen Sie Ihre Chloé wohl auch gleich heiraten, denke ich«, wandte sie sich von neuem an Archilochos und trank ihren Campari leer.
    »So schnell als möglich.«
    »Das ist klug. Bei Frauen muß man handeln, besonders wenn sie Chloé heißen. Und wo wollen Sie denn wohnen mit Ihrer Griechin?«
    Er wisse es nicht, seufzte Archilochos ratlos, mit seinem Apfelmus und seinen Nudeln beschäftigt. »In meiner Mansarde natürlich nicht mehr, von wegen der Wasserspülungen und der schlechten Luft. Vorläufig in einer Pension.«

    54

    »Ach was, Monsieur Archilochos«, lachte Georgette, »ein Mann mit Ihren Moneten. Gehen Sie ins ›Ritz‹, da gehören Sie hin. Und von jetzt ab zahlen Sie hier den doppelten Preis.
    Generaldirektoren muß man schröpfen, sonst sind sie zu gar nichts mehr nütze.«
    Dann schenkte sie sich einen neuen Campari ein.

    Als Archilochos gegangen war, blieb es eine Zeitlang still bei
    ›Chez Auguste‹; Madame Bieler wusch Gläser, und ihr Mann saß regungslos hinter dem Ofen.
    »So eine«, sagte endlich Auguste und rieb sich die hageren Beine. »Als ich zweiter war in der Tour de France, hätte ich auch einmal so eine haben können, mit Pelzmantel, teurem Parfüm und mit einem Großindustriellen, einem Herrn von Zünftig – besaß Kohlenbergwerke in Belgien. Wäre wohl nun auch Generaldirektor von einer Abteilung.«
    »Unsinn«, sagte Georgette und trocknete sich die Hände.
    »Du bist nicht zu Höherem geboren. So eine heiratet dich nicht.
    Bei dir gibt es nichts zu erwecken. Archilochos ist ein Sonn-tagskind, das habe ich immer gespürt, und ein Grieche. Wirst sehen, wie sich der noch entwickelt. Der taut noch auf, und wie. Die Frau ist prima. Daß sie endlich von ihrem Geschäft loskommen will, ist nur natürlich. Es ist schließlich auch anstrengend auf die Dauer und alles andere als immer angenehm. Das wollen die alle von dieser Sorte, das wollte auch ich. Den meisten gelingt es freilich nicht, die enden wirklich in der Gosse, wie man immer predigt, einigen langt es gerade zu einem Auguste mit nackten Beinen und einem gelben Radfahrerkostüm – eh bien, ich bin auch zufrieden damit, wenn wir schon von dieser Zeit sprechen, und einen Großindustriellen habe ich nie gehabt. Da hatte ich das berufliche Format nicht.
    Bei mir verkehrten nur kleinbürgerliche Kreise, einige vom Finanzamt und einmal ein Aristokrat für vierzehn Tage, der Graf Dodo von Malchern, der letzte seiner Familie, schon 55

    lange beerdigt. Aber der Chloé wird es

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