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Grieche sucht Griechin - Grotesken

Grieche sucht Griechin - Grotesken

Titel: Grieche sucht Griechin - Grotesken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Generaldirektor geworden«, sagte Arnolph.
    »Sieh mal einer an!«
    »Ich werde dich als Buchhalter einstellen in der Geburtszangenabteilung, wenn du mir versprichst, dich zusammenzuneh-men. Ordnung muß sein.«
    »Nein, Arnolph, meine Natur ist nicht fürs Büro geschaffen.
    Hast du zwanzig Lappen?«
    »Was ist schon wieder?«
    »Gottlieb ist eine Fassade hinuntergesaust, Arm kaputt.«
    »Welche Fassade?«
    »Die von Petit-Paysan.«
    Archilochos wurde böse, das erste Mal in seinem Leben.
    »Gottlieb hat bei Petit-Paysan nicht einzubrechen«, herrschte er den verwunderten Bruder an, »er hat überhaupt nicht einzu-58

    brechen. Petit-Paysan ist mein Wohltäter. Aus schöpferischem Sozialismus hat er mich zum Generaldirektor ernannt, und nun verlangst du noch Geld von mir, Geld, das ich schließlich von Petit-Paysan habe.«
    »Wird nicht mehr vorkommen, Bruder Arnolph«, antwortete Bibi mit Würde, »war eine bloße Übung, Gottlieb hat sich auch nur verrechnet. Er wollte beim Gesandten von Chile nach Pinke suchen, dort ist die Fassade auch kommoder. Er hat sich bei der Nummer geirrt, ist ja auch noch ein unschuldiges Kind.
    Nun gibst du die Lappen?« – und er zeigte seine hohle Bruderhand.
    »Nein«, sagte Archilochos, »solche Gaunereien kann ich nicht unterstützen. Ich muß jetzt zum Bischof.«
    »Werde auf dich warten, Bruder Arnolph«, sagte Bibi unerschütterlich und entbreitete die Zeitung aufs neue: »Habe die Weltgeschichte zu übersinnen.«

    13

    Bischof Moser, dick und rosig, im schwarzen pfarrherrlichen Kleide und steifen, weißen Kragen, empfing Archilochos in seinem Studierzimmer, in einem kleinen, hohen, verrauchten Raum, nur von einem Lämpchen erleuchtet, mit Büchern umstellt, geistlichen und weltlichen, mit einem hohen Fenster hinter schweren Vorhängen, durch das der Schein der Straßen-lampe fiel, unter der Bruder Bibi wartete.
    Der Besucher stellte sich vor. Er sei eigentlich Unterbuchhalter, heute jedoch Generaldirektor der Atomkanonen- und der Geburtszangenabteilung in der Petit-Paysan-Maschinenfabrik geworden.
    Bischof Moser betrachtete ihn wohlgefällig.
    »Ich weiß, guter Freund«, lispelte er. »Sie besuchen die Got-59

    tesdienste von Prediger Thürcker in der Heloisen-Kapelle, nicht wahr? Bin auch ein wenig im Bilde über unsere liebe altneupresbyteranische Gemeinde. Seien Sie willkommen.«
    Der Bischof schüttelte dem Generaldirektor kräftig die Hand.
    »Nehmen Sie Platz«, sagte er, wies ihm einen bequemen Lehnstuhl an und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
    »Danke«, sagte Archilochos.
    »Bevor Sie mir Ihr Herz ausschütten, möchte ich Ihnen meines ausschütten«, lispelte der Bischof. »Nehmen Sie eine Zigarre?«
    »Ich bin Nichtraucher.«
    »Ein Gläschen Wein? Schnaps?«
    »Ich bin Temperenzler.«
    »Gestatten Sie, daß ich mir eine Zigarre genehmige? So mit einer Dannemann läßt sich gar traulich reden und köstlich beichten von Mensch zu Mensch. Sündige tapfer, sagte Luther, und ich möchte sagen: Rauche tapfer, und hinzufügen: Trinke tapfer. Sie erlauben doch?«
    Er füllte ein kleines Glas mit Schnaps, den er in einer alten Flasche hinter den Büchern verwahrte.
    »O bitte«, sagte Archilochos etwas verstört. Es tat ihm leid, daß sein Bischof doch nicht ganz dem Vorbild entsprach, das er stets für ihn gewesen war.
    Bischof Moser steckte sich eine Dannemann in Brand.
    »Sehen Sie, lieber Bruder, wie ich wohl sagen darf, es war schon längst mein Herzenswunsch, einmal mit Ihnen zu plaudern (er stieß die ersten Dannemannwolken von sich). Aber mein Gott, was hat auch so ein Bischof alles zu tun. Da muß man Altersheime besuchen, Jugendlager organisieren, gefallene Mädchen in christlichen Heimen unterbringen, den Sonn-tagsschul- und den Konfirmandenunterricht inspizieren, Kan-didaten examinieren, die Neupresbyteraner traktieren, unseren Predigern den Kopf waschen. Man hat tausend Dinge und Dingelchen zu tun und kommt zu nichts Rechtem. Da hat mir 60

    nun unser lieber Thürcker immer von Ihnen geplaudert, haben Sie doch noch nie eine Gemeindeandacht verfehlt und einen doch wahrlich seltenen Eifer für unsere Gemeinschaft an den lieben langen Tag gelegt.«
    Der Besuch der Gemeindeandachten sei ihm ein Herzensbedürfnis, stellte Archilochos schlicht fest.
    Bischof Moser schenkte sich ein zweites Gläschen Schnaps ein.
    »Sehen Sie. Mit Vergnügen habe ich das stets vernommen.
    Und nun ist unser verehrtes Mitglied des altneupresbyteranischen Weltkirchenrates vor

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