Grieche sucht Griechin - Grotesken
gelingen. Die hat ihren Archilochos, und das wird was Feines.«
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Unterdessen fuhr Archilochos in einem Taxi zur Weltbank und dann zu einem Reisebüro am Quai de l’Etat. Er betrat einen weiten Raum, mit Landkarten und farbigen Plakaten an den Wänden: ›Besucht die Schweiz. Der sonnige Süden lockt dich.
Mit der Air France nach Rio. Das grüne Irland.‹ Angestellte mit höflichen, glatten Gesichtern. Schreibmaschinengeklapper.
Neonlicht. Fremde mit seltsamen Sprachen.
Er möchte nach Griechenland reisen, sagte Archilochos.
Nach Korfu, nach dem Peloponnes, nach Athen.
Die Agentur vermittle keine Reisen auf Kohlendampfern, bedauerte der Angestellte.
Er möchte mit der ›Julia‹ reisen, wandte Archilochos ein. Er wünsche eine Luxuskabine für sich und seine Frau.
Der Angestellte blätterte in einem Kursbuch, gab einem spanischen Zuhälter (Don Ruiz) die Daten eines Zugs. Es seien keine Plätze auf der ›Julia‹ mehr frei, sagte er endlich und wandte sich einem Kaufmann aus Kairo zu.
Archilochos verließ das Reisebüro und setzte sich in das wartende Taxi. Überlegte. Wer der beste Schneider in der Stadt sei, fragte er dann den Chauffeur.
Der wunderte sich. »O’Neill-Papperer in der Avenue Bikini und Vatti in der Rue St. Honoré«, gab er zur Antwort.
»Der beste Friseur?«
»José am Quai Offenbach.«
»Das erste Hutgeschäft?«
»Goschenbauer.«
»Wo kauft man die besten Handschuhe?«
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»Bei De Stutz-Kalbermatten.«
»Gut«, sagte Archilochos. »Zu diesen Geschäften.« So fuhren sie zu O’Neill-Papperer in der Avenue Bikini und zu Vatti in der Rue St. Honoré, zu José am Quai Offenbach und zu De Stutz-Kalbermatten, dem Handschuh-, und zu Goschenbauer, dem Hutgeschäft. Er kam durch tausend Hände, die an ihm nestelten, maßen, säuberten, schnitten, rieben, veränderte sich zusehends, stieg stets eleganter, duftender in das Taxi, nach Goschenbauer mit einem silbergrauen Edenhut auf dem Kopf, und fuhr am späten Nachmittag wieder vor dem Reisebüro am Quai de l’Etat vor.
Er wünsche eine Luxuskabine mit zwei Betten auf der ›Julia‹, sagte er mit unveränderter Stimme zu dem Angestellten, der ihn abgewiesen hatte, den silbergrauen Edenhut auf die Glas-fläche legend.
Der Beamte begann ein Formular auszufüllen. »Die ›Julia‹
fährt nächsten Freitag. Korfu, Peloponnes, Athen, Rhodos und Samos«, sagte er. »Darf ich um Ihren Namen bitten?«
Aber nachdem Arnolph die zwei Billette bezahlt und sich entfernt hatte, wandte sich der Angestellte zum spanischen Zuhälter, der immer noch herumlungerte und Reiseprospekte durchblätterte, um hin und wieder den Besuch einiger Damen zu empfangen, die (ebenfalls Prospekte studierend) Geldschei-ne in seine vornehmen, schmalen Hände gleiten ließen.
»Skandalös, Señor«, meinte der Angestellte angewidert und auf spanisch (das von der Abendschule stammte), »da kommt ein Straßenputzer oder Schornsteinfeger, verlangt zwei Billette für die ›Julia‹, die wirklich nur für die Aristokratie und für die allererste Gesellschaft reserviert ist (er verneigte sich vor Don Ruiz), nimmt doch der Prinz von Hessen an der nächsten Fahrt teil, Mrs. und Mr. Weeman und die Loren – und wie man ihm dies anständigerweise verweigert, aus Menschenfreundlichkeit noch, da er sich sonst ja nur blamieren würde, kehrt der Kerl zurück in seiner ganzen Frechheit, gekleidet wie ein Lord, 57
reich wie ein Schlotbaron, und ich muß ihm die Billette auslie-fern – was vermag ich gegen das Kapital. Drei Stunden braucht so ein Schurke für seine Karriere. Schätze Bankeinbruch, Vergewaltigung, Raubmord oder Politik.«
»Wirklich empörend«, antwortete darauf Don Ruiz auf spanisch (das von der Abendschule stammte).
Archilochos dagegen, während es schon eindunkelte und die Lichter aufleuchteten, fuhr über die neue Brücke nach dem Boulevard Künnecke, zum Wohnsitz des Bischofs der Altneupresbyteraner der vorletzten Christen, doch fand er vor der kleinen Villa im viktorianischen Stil Bibi vor, mit zerbeultem Hut, zerrissen und verschmutzt, auf dem Trottoirrand sitzend, nach Fusel stinkend und gegen eine Straßenlaterne gelehnt, eine Zeitung lesend, die er im Rinnstein gefunden hatte.
»Wie bist denn du gekleidet, Bruder Arnolph?« fragte dieser, pfiff durch die Zähne, schnalzte mit der Zunge, schneuzte mit den Fingern und faltete die schmutzige Zeitung sorgfältig zusammen.
»Was trägst denn du für Klamotten? Prima Kluft.«
»Ich bin
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