Grim - Das Siegel des Feuers
verfluchten Zauberfibel nachlesen können. Warte nur ab!« Nachlässig zog er ein Buch nach dem anderen aus dem Regal, warf sie über die Schulter und genoss den Klang, den sie machten, als sie auf dem Boden aufschlugen. Einige dieser Bücher waren uralt. Pheradin würde sicher nicht erfreut sein, seine Lieblinge auf der Erde wiederzufinden. Schließlich fand Grim, was er gesucht hatte. Er zog ein schmales Buch mit goldenem Einband aus dem Regal und blätterte darin.
»Hier«, sagte er stolz. »Bitte sehr. Die Geschichte der Feen, kurz und kompakt.«
Mia nahm ihm das Buch ab, aber sie las nicht, was darin stand. Ihr Blick hing an dem Bild des Feenkriegers, der neben dem Abschnitt abgebildet war. Ignorante Comicgeneration der Menschen! Kaum dass irgendwo ein Bild auftauchte, starrten sie es an in der Hoffnung, es möge sich bewegen.
»So einer ist mir erschienen«, sagte sie kaum hörbar. Sie hob den Blick, und der Ausdruck in ihren Augen vertrieb die neckische Bemerkung von Grims Lippen. »Genau so sah er aus. Ich habe ihn auf dem Friedhof gesehen, als sich meine Fähigkeiten gezeigt haben, und dann noch einmal bei der Beisetzung. Er hat um Jakob geweint. Seine Tränen waren schwarz.«
Grim wischte durch die Luft. Auf einmal war ihm unbehaglich zumute, die Kopfschmerzen zogen mit spitzen Zähnen durch seine Schläfen. »Unsinn«, murmelte er. »Das Volk der Feen hat sich vor Jahrhunderten aus dieser Welt zurückgezogen — zu Recht! Was haben sie hier auch noch zu suchen? Die letzte Festung der Hartide wurde vor langer Zeit zerstört. Glaubst du etwa, dein Feenkrieger sitzt in den Ruinen und wartet, dass sich ein Mensch zu ihm bemüht?« Er lachte, aber Mias Blick ließ ihn verstummen.
Sie schwieg eine Weile. »Wie konnte Jakob all das lernen, was er wusste — wenn er nicht ausgebildet wurde?«
Grim presste die Zähne aufeinander.
Remis warf einen Blick zur Decke. »Stichhaltiges Argument«, murmelte er beiläufig. »Schwierig nachzuvollziehen, wenn man so aufgeregt ist wie manch einer hier im Raum und sich von seinen Gefühlen hinreißen lässt.«
Grim stieß die Luft aus. »Ganz gleich, wie Jakob das gelungen ist — die Festung der Hartide ist vernichtet worden.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Pheradin trat ein. Das Blut war aus seinem Gesicht verschwunden, fast sah es aus, als hätte er etwas Farbe bekommen. Das änderte allerdings gar nichts an seiner düsteren Erscheinung. Die riesigen Schwingen, die Hände, die weißer als Schnee aus dem Mantel ragten — und diese Augen, schwarz wie die Nacht, bei deren Anblick Grim sich fühlte, als würde er in tödliches Feuer schauen. Jetzt sah Pheradin ihn an, sein Mund verzog sich zu einer verächtlichen Grimasse.
»Nein«, sagte er, als hätte er jedes Wort gehört.
Grim verdrehte die Augen. Phantastisch! Dieser Kerl war nicht nur ein Psychopath, er lauschte auch noch an der Wand! Pheradin betrachtete ihn, als würde er seine Gedanken hören.
»Niemand kann die Festung der Hartide vernichten, nicht einmal die Gargoyles in ihrem grenzenlosen Hass. Nein. Sie ist noch da. Aber sie ist unerreichbar. Es ...«
Grim schüttelte den Kopf. »Großartig. Zerstört oder nicht erreichbar — ich würde sagen, das macht keinen nennenswerten Unterschied, nicht wahr?«
Pheradins Gesicht zeigte keine Regung. »Sie ist unerreichbar — es sei denn, man hat einen Schlüssel. Und der Schlüssel, meine Liebe, bist du.«
Er warf Mia einen Blick zu, die wie ein kleines Kind zu ihm aufschaute. Grim zog die Brauen zusammen. Sah er richtig? War das Bewunderung in ihren Augen? So langsam wurde ihm die Sache zu bunt.
»Aber warum bin ich die Einzige, die das Siegel brechen kann?«, fragte sie. »Warum kann nur ich die Zeichen sehen?«
»Das Pergament wird durch das Siegel des Feuers geschützt«, erwiderte Pheradin. »Nur Auserwählte erhalten Zugang zu seinem Geheimnis — nur derjenige, der das Pergament hütet.«
Auf einmal wurde Mia blass. Grim sah, dass ihre Lippen zitterten. »Aber ich ...«, flüsterte sie. »Mein Bruder ...«
Pheradin ließ sie nicht aus den Augen. »Er hat dich ins Vertrauen gezogen, nicht wahr? Er hat dir das Pergament anvertraut — und den Zauber an dich weitergegeben.«
Grim sah, dass eine Erinnerung über Mias Gesicht flackerte. Langsam fuhr sie sich mit der Hand an die Stirn. »Der Kuss«, flüsterte sie. Sie war schneeweiß, Grim ging jede Wette ein, dass sie gleich in Ohnmacht fallen würde. Er hatte von dem Gefasel dieses
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