Grim - Das Siegel des Feuers
Kerls wirklich die Nase voll.
»Und woher weißt du das alles, Großmeister der Freien?«, fragte er verächtlich. Er war sich bewusst, dass er die Höflichkeitsform vernachlässigte, und es war ihm egal. »Du lebst hier mit Verrückten in Ruinen und ...«
»Das sind keine Verrückten«, erwiderte Pheradin ruhig. »Es sind Mutanten. Vor langer Zeit wurden sie von Magiern der Schwarzen Flamme erschaffen, um die Gargoyles zu vernichten. Doch die Mutanten ließen sich nicht bezwingen. Sie sind mehr als Todeswerkzeuge, und sie wandten sich gegen die, die sie missbrauchen wollten, und flohen. Obwohl die Gargoyles Jagd auf sie machten, hat kein Mutant jemals einem von ihnen auch nur ein Haar gekrümmt — es sei denn, sie sind hier eingedrungen, unerlaubt! Stattdessen verbergen sie sich an diesem Ort, in Nacht und Schatten, und werden beides niemals wieder verlassen. Und auch ich dachte, ich würde dieser Stadt niemals mehr den Rücken kehren ... bis jetzt.«
Pheradin zog etwas aus seiner Tasche. Es war das Pergament. Mit einem Lächeln reichte er es Mia.
Sie trat vor. »Dann helft Ihr uns doch? Ich dachte, Ihr hättet Eure Wahl getroffen.« Sie strich mit den Fingern über das Pergament. »Es sei ein Schatten aus vergangenen Tagen, sagtet Ihr — aber er sei tot.«
Pheradin betrachtete sie schweigend. »Manche Dinge sterben nie«, sagte er dann und lächelte.
Kapitel 32
unkelheit umgab Mia. Sie hatte geschlafen, lange und ausgiebig, wie ihr schien, und von Jakob geträumt, von dem Moment, da er ihre Stirn geküsst hatte. Sie erinnerte sich an diesen Augenblick, als wäre es gerade erst passiert. Er hatte ihr das Pergament anvertraut und mit ihm die Gabe, es lesen zu können. Die Lösung des Rätsels war ganz nah. Pheradin hatte ihr den Weg gezeigt. Jetzt musste sie ihn nur noch gehen.
Sie hatte ein Frühstück aus wilden Beeren und Wurzeln zu sich genommen. Wider Erwarten hatte es gar nicht schlecht geschmeckt, auch wenn Grim vor Ekel keinen Moment den Blick von den Wurzeln genommen hatte. Dann waren sie aufgebrochen, doch entgegen ihrer Erwartung führte Pheradin sie nicht zurück durch den Nebel, sondern schlug einen anderen Weg ein. Die Mutanten waren ihnen in einem langen Zug bis zum Stadtrand gefolgt und hatten dort wie auf Kommando die linke Hand auf die Brust gelegt. Pheradin war vorausgegangen, ohne sich umzusehen, zunächst über einen schmalen Pfad hoch ins Gebirge. Einmal war Mia stehen geblieben, um zurückzuschauen: Die Mutanten hatten noch immer dagestanden und ihnen nachgesehen.
Nach einer Weile waren sie auf einen Felsvorsprung gelangt.
Dort hatte Pheradin ein merkwürdiges Ritual durchgeführt, woraufhin ein glänzender Ring auf dem Boden entstanden war. Ohne ein Wort war Pheradin hineingesprungen, und Grim, Remis und sie selbst waren ihm gefolgt. Sie waren in einem mit schwarzen Steinen befestigten Tunnel gelandet — und in diesem befanden sie sich noch immer. Manchmal folgte Pheradin einer Abzweigung, aber letztlich war jeder Gang gleich: schwarze Steine, glimmende Lichter auf dem Boden, die alles in ein unwirkliches Licht tauchten, und Pheradin, der in langen Schritten vor ihnen herlief. Seine Bewegungen wurden schon nach kurzer Zeit geschmeidiger, und als er einmal stehen blieb und Mia einen Blick auf sein Gesicht werfen konnte, war sie überrascht, wie jung er aussah. Vermutlich tat es ihm gut, aus dieser Albtraumstadt herauszukommen. Vielleicht würde er bald wieder wirkliche Träume haben. Wirkliche Träume ... Über diesen Gedanken musste sie lächeln.
Vor einem großen schmiedeeisernen Tor blieb Pheradin stehen. Er legte beide Hände an das Metall und hielt inne, als würde er lauschen. Dann flüsterte er etwas. Augenblicke später schwang das Tor mit leisem Knirschen auf. Heller Lichtschein fiel in den Tunnel, und als Mia den anderen folgte, sah sie, dass es der Mond war, der so hell strahlte. Sie standen auf dem Palatin — Mia erkannte es am nahe gelegenen Kolosseum. Rom warf seine Lichter in die Nacht. Sie war froh, wieder in der Oberwelt zu sein, und als sie Pheradin ansah, entdeckte sie einen seltsamen Glanz in seinen Augen. Wie lange musste er auf diesen Anblick verzichtet haben!
»Es ist nicht weit von hier«, sagte er leise. »Wartet einen Moment, dann folgt mir.« Ohne ein weiteres Wort erhob er sich in die Luft.
Mia warf Grim einen Blick zu. »Ich glaube, ich weiß, warum er uns hilft.«
Grim zog die Brauen zusammen. »Aha«, machte er nur und schwieg. Er klang gereizt
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