Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
sah an Karphyrs Blick, dass er seinen eigenen Plänen vertraute. »Wir düsen also in den Dorn, überwältigen die Hybriden, die uns über den Weg laufen, brechen mit unserem neuen Lieblingsfreund Vraternius den Rattenfängerzauber, woraufhin die willenlosen Gargoyles erwachen. Und dann erobern wir mit ihrer Hilfe den Dorn zurück und führen Seraphin seiner gerechten Strafe zu. Klingt doch kinderleicht.«
    Er lächelte, aber keiner außer dem Löwen erwiderte diese Geste. Verflucht, in diesem Zustand war jeder Angriff auf den Dorn von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wo war die einstige Stärke der Schattenflügler geblieben? Waren sie denn wirklich nichts als ein Haufen müder Kerle und unerfahrener Grünschnäbel? Grim schaute zu Kronk hinüber — Kronk, diesem Schrank von einem Gargoyle, der regungslos vor sich auf den Tisch schaute und die Worte der anderen wie Regen von seinem grauen Körper abprallen ließ.
    Etwas in Grim zog sich zusammen, als er seinen ehemaligen Gefährten betrachtete, etwas, das nach alten Zeiten roch, die verloren waren, und einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge hinterließ. Gerade wollte er sich abwenden, als Kronk den Blick hob. Er sah Grim direkt an mit seinen undurchdringlichen pechschwarzen Augen, mit denen er einst dem Mantikor von Bukarest entgegengetreten war, jener gefürchteten Bestie, die unzählige Menschenkinder dahingerafft hatte, ehe sie Kronk begegnet war. Grim erwiderte seinen Blick. Und auf einmal war alles wieder da: die Schlachten vor über zweihundert Jahren, in denen sie Seite an Seite gekämpft hatten, die Nächte unter freiem Himmel, als sie in Rumänien die Dörfer der Menschen vor den Übergriffen durch die Werwölfe bewahrt hatten, die lichtlosen Stunden in den Katakomben von London. Grim sah die Nacht in Kronks Augen, jene Nacht, in der sie gemeinsam vor den Toren Prags die Aufstände der Dämonen niedergeschlagen hatten, Seite an Seite. Walli war auch dabei gewesen, der nun neben Kronk saß wie ein Häuflein Elend, eingezwängt unter einer lächerlichen Mütze. Damals waren sie Krieger gewesen, gefürchtete Schattenflügler, die für das Gute gekämpft hatten. Und sie waren noch immer da: die Helden von einst. Grim sah Kronk in die Augen, und zum ersten Mal seit zweihundert Jahren erblickte er hinter dessen steinerner Fassade einen Funken des alten Feuers.
    Ein Schauer flog Grim über den Rücken, als ihm bewusst wurde, dass dieses Feuer niemals erlöschen würde, ganz gleich, wie die Welt sich verwandelte. Es gab Dinge, die sich nicht änderten — und hierzu zählten die Krieger von einst, die sich danach sehnten, ins Leben zurückzukehren. Doch da war noch etwas anderes in Kronks Blick, etwas, das Grim nur zu gut kannte: Es war Müdigkeit und etwas Eiskaltes, das sich in den alten Kriegern eingenistet hatte. Grim schaute in die Runde, und er erkannte es überall: Zweifel war es — Zweifel lag in ihren Augen. Grim holte tief Atem. Er konnte diesen Anblick nicht länger ertragen. Er wollte es nicht.
    Mit einem Satz sprang er auf und schlug mit der geballten Faust auf den Tisch. Der Knall ließ ihn selbst zusammenfahren, und die Jungspunde hüpften auf ihren Sitzen in die Höhe.
    »Verflucht noch einmal!«, grollte Grim und spürte, wie Flammen durch seine Adern schossen. »Was ist los mit euch? Seraphin von Athen und seine Anhänger haben den König gestürzt, das Zepter an sich gebracht und sich im Schwarzen Dorn verschanzt, um in aller Ruhe die Wirkung des Rattenfängerzaubers abzuwarten, der die Gargoyles Ghrogonias langsam ihres Willens beraubt, bis sie regungslos vor den Toren der Stadt auf Seraphins Befehle warten!«
    Auf einmal war es totenstill. Grim spürte die Blicke der Anwesenden wie Feuer auf seinem Gesicht. Mouriers Miene zeigte keine Regung.
    »Wir sind Krieger, die Schlacht steht kurz bevor! Und wir sitzen hier unter albernen Mützen, die uns in ein Team verwandeln sollen, das wir schon längst sind, und haben Angst? Ist das wirklich euer Ernst?« Er hielt kurz inne. »An diesem Tisch sitzen die besten Schattenflügler Ghrogonias — die besten Krieger der Anderwelt. Lange haben sie sich in den Schatten versteckt, doch ihr Andenken ist nicht vergessen. Erinnert euch! Denn jetzt wird es Zeit, dass wir zu neuer Kraft erwachen!« Er ballte die Faust und sah jedem seiner alten Gefährten und jedem jungen Rekruten in die Augen.
    »Schattenflügler Ghrogonias, ihr, die ihr in blutigen Schlachten an meiner Seite standet, und ihr, die ihr

Weitere Kostenlose Bücher