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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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den Schatten wie du«, sagte er leise. »Und vielleicht sind wir das auch: Schatten.« Das letzte Wort hallte wie ein Fluch durch den Tunnel. Seraphin trat einen Schritt näher. »Wenn ich eines wirklich verabscheue«, sagte er ruhig, »dann ist es Gewalt. Aber wenn du mir nicht freiwillig sagst, wo ich den Jungen finde, werde ich dich zwingen müssen.«
    Grim sah, wie Seraphin die Hände ausstreckte, und wich zurück. Umgehend spürte er die Kälte eines Bannzaubers um seine Kehle. Er
will meine Erinnerung lesen,
schoss es ihm durch den Kopf.
Verflucht, er ...
Doch schon hatte Seraphin seine Finger an Grims Schläfen gelegt. Sie waren eiskalt. Grim sah, wie Seraphin den Zauber sprach, und fühlte im nächsten Moment den tauben Dämmerzustand, der einen befiel, wenn jemand anderes in die eigenen Gedanken eindrang. Schwer atmend sah er, wie sich nach einem Moment der Konzentration ein Lächeln auf Seraphins Gesicht stahl.
Verschwinde,
dachte Grim und versuchte, sich vor ihm zu verschließen. Aber es gelang ihm nicht. Die Konturen des Tunnels verschwammen vor seinem Blick, und ein Schmerz wie ein Schwerthieb durchzog sein Auge mit der Narbe. Dann wurde es schwarz. Plötzlich steckte er in einem reglosen steinernen Leib, er atmete nicht und konnte nichts sehen als die feinen Maserungen eines Tuches, das direkt vor ihm hing. Hinter dem Tuch, das fühlte er, war Licht. Grim hätte die Luft ausgestoßen, wenn er gekonnt hätte. Er spürte, dass er sich in Trance befand — ein Zustand, der bei Erinnerungslesungen häufiger auftrat, wenn die Geister der Beteiligten für kurze Zeit miteinander verschmolzen.
    Da hörte er das Prasseln von Feuer, die Luft erzitterte von mächtiger Magie. Im nächsten Moment erkannte Grim Schatten hinter dem Tuch. Zwei menschliche Gestalten kämpften vor einem gewaltigen Feuer, wie Scherenschnitte rangen sie miteinander. Da schleuderte der eine seinen Gegner durch die Luft, hart schlug er gegen Grims reglosen Körper. Es war tatsächlich ein Mensch. Der andere Kämpfer näherte sich, Grim sah durch das Tuch ein flammendes Schwert in seiner Hand. Kurz bevor er Grim erreicht hatte, blieb er stehen.
    »Du«, sagte er, und die Kälte in seiner Stimme ließ Grim frösteln, »hast mich — verraten!«
    Das flammende Schwert wirbelte durch die Luft, es raste auf den Menschen zu. Da tauchte ein Schatten in Grims Blickfeld auf, er sprang vor und warf sich vor den Menschen. Zischend sauste das Schwert nieder. Im nächsten Augenblick durchzuckte Grim unbeschreiblicher Schmerz. Das Schwert hatte sein Auge getroffen, durch einen Riss im Tuch sah er in den flammenden Saal, der vor ihm lag. Mit dem Schwert in der Hand stand der Kämpfer vor ihm, das Feuer verwandelte ihn in einen Schatten. Langsam trat er vor. Flammen fielen auf sein Gesicht. Grim wäre zurückgewichen, wenn er gekonnt hätte: Vor ihm stand Seraphin. Im selben Moment sah Grim Blut an seinen Händen, das Blut eines Kindes. Sein Herz zog sich in einem Moment totaler Verzweiflung zusammen. Sie raste durch seinen reglosen Körper, er verstand sie nicht und konnte doch nichts gegen sie ausrichten. Da legte Seraphin den Kopf in den Nacken und schrie. Nie zuvor hatte Grim jemanden auf so unmenschliche Weise schreien hören, da war kein Leben, kein Blut mehr, nur noch Hass in jedem Ton. Er starrte Seraphin in sein blasses, schönes Gesicht, sah die Bestürzung darin und dann die Maske, die sich als Schicht aus Frost über seine Züge legte.
    Im nächsten Moment ging ein Riss durch Grims Bewusstsein, er spürte, wie sich der Schraubstock um seine Schläfen löste. Benommen stellte er fest, dass er sich wieder in dem stinkenden dunklen Tunnel befand. Seraphin stand vor ihm, er hatte die Hände sinken lassen und starrte ihn an. Etwas wühlte sich durch seine Augen, Verzweiflung, Ratlosigkeit, Wut — Grim wusste es nicht. Er selbst konnte sich die Bilder, die ihn während der Trance bestürmt hatten, nicht erklären, aber Seraphin schien augenscheinlich mehr zu wissen als er. Gerade öffnete er den Mund, um etwas zu sagen. Doch in diesem Moment hallten Schritte durch den Tunnel.
    »Hier spricht die OGP«, drang eine Flüstertütenstimme zu ihnen. Grim zählte die Schritte von zwanzig Schattenflüglern und mindestens fünfzehn Rekruten. Erleichtert stellte er fest, dass die Hybriden sich zurückzogen. Nur Seraphin blieb noch einen Augenblick lang vor ihm stehen.
    »Nun«, sagte er leise, »wir haben uns nicht zum letzten Mal gesehen. Da bin ich sicher.«

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