Grim - Das Siegel des Feuers
dass sie im wahrsten Sinne des Wortes zu Eis erstarrt waren.
Die Schritte der Menschen klangen nur noch leise an sein Ohr. Er musste sich beeilen. Schnell schoss er vorwärts auf die Gargoyles zu. Ihre Augen waren eisüberzogen, es war fast ein wenig unheimlich. Grim achtete darauf, keinen von ihnen zu berühren, und hatte schon zwei passiert, als ein Klirren ihn herumfahren ließ. Er schaute direkt in die Augen des Kahlköpfigen mit den lächerlichen Tätowierungen.
»Gemein«, sagte der mit amüsiertem Tonfall in der Stimme. Grim zog die Brauen zusammen. Sein Zauber war gebrochen, so schnell, wie war das möglich? Im nächsten Moment fühlte er sich von einem gewaltigen Schlag getroffen. Er flog durch die Luft und landete rücklings in dem widerwärtigen Strom in der Mitte des Tunnels. Er wollte sich aufrappeln, aber schon traf ihn etwas am Kopf. Er fühlte, wie ihm Blut in den Mund schoss, und er hörte ein helles Summen wie von einem Bienenschwarm. Er sah den Kahlkopf über sich und wurde von zwei oder drei Bannzaubern an den Boden gefesselt.
»Deinetwegen sind sie weg«, zischte der Kahlkopf. »Die Kanalisation ist ein beschissenes Labyrinth, und deinetwegen haben wir sie aus den Augen verloren.«
Grim spürte, wie der Kerl ihm in den Magen trat. Keuchend sog er die Luft ein. Er hatte sich überrumpeln lassen, verflucht noch mal, wie hatte ihm das passieren können? Angestrengt versuchte er, die Fesseln um seinen Körper zu sprengen, doch der Kahlkopf ließ nicht von ihm ab. Es war unmöglich, sich zu konzentrieren, wenn einem jemand den Kopf auf den Boden schlug. Schwarze Schleier zogen an Grims Augen vorüber. Er spürte, dass er ohnmächtig wurde, und wehrte sich mit aller Kraft. Er musste sich befreien. Sie würden ihn umbringen.
»Lasst ihn in Ruhe.«
Auf der Stelle ließ der Kahlkopf von ihm ab. Selbst die Fesseln lösten sich. Grim rappelte sich auf, aber er brauchte eine ganze Weile dazu. Schwer atmend stützte er sich an der Tunnelwand ab. Dann durchfuhr ihn ein Schreck. Diese Stimme hatte er schon einmal gehört. Er hob den Blick und sah, dass jemand auf ihn zukam, eine helle, hochgewachsene Gestalt mit weißen Schwingen. Für einen Moment flog ihm ein unsinniger Gedanke durch den Kopf:
ein Engel.
Er konnte das Gesicht der Gestalt nicht sehen, irgendetwas blendete ihn. Grim fuhr sich über die Augen. Das Licht im Tunnel wurde schwächer. Die Gestalt vor ihm tat noch einen Schritt. Eine Kapuze bedeckte halb das Gesicht. Grim zog die Brauen zusammen.
Menschen haben hier nichts verloren, verflucht noch eins, und heute tummeln sie sich hier unten wie die Ratten, was ...
Da zog sein Gegenüber die Kapuze zurück, und Grim sah in das schmale, fast zarte Gesicht eines Hybriden. Er war noch recht jung, kaum älter als Grim selbst. Ein Lächeln spielte um sanft geschwungene Lippen. Schwarze Augen standen in merkwürdigem Kontrast zu seinem langen weißen Haar, und in ihnen lag etwas, das Grim frösteln ließ. Die linke Hälfte seines Gesichts wurde von feinem weißen Stein überzogen. Grim sah sich um. Knisternd zog sich der Stein auch von den Gesichtern der anderen zurück. Hybriden. Er war von Hybriden umgeben! Aber sie sahen nicht so aus, als würden sie zu den Rebellen gehören. Ihre Kleidung war teilweise verschmort, aber aus besten Stoffen, und ihre Gesichter — nein, diese Kälte gab es nicht in den Augen der Hybriden von Ghrogonia. Diese hier erinnerten Grim mehr an Fürsten als an Obdachlose.
Sein Gegenüber intensivierte sein Lächeln. »Mein Name«, sagte er mit dunkler, sanfter Stimme, »ist Seraphin von Athen. Ich bin auf der Suche nach dem Jungen, und ich weiß, dass du mich zu ihm führen kannst. Wo kann ich ihn finden?«
Grim starrte in die dunklen Augen und verbarg jedes Gefühl hinter der steinernen Fassade seines Gesichts. Woher, zur Hölle noch eins, kannte er diesen Kerl? Sie waren sich schon einmal begegnet, das spürte er, doch dieses Gefühl war vage und nebelhaft wie die Erinnerung an einen Traum. Falls Seraphin Ähnliches empfand, ließ er es sich nicht anmerken. Aber er beobachtete ihn, ihm entging nichts, keine noch so kleine Regung, das wusste Grim genau. »Es interessiert mich einen Dreck, wie du heißt«, erwiderte er grollend. »Du kannst suchen, wen oder was du willst. Aber finden musst du es schon allein. Außerdem habe ich keinen von euch in dieser Stadt schon mal gesehen. Woher kommt ihr, und wer seid ihr?«
Seraphin warf einen Blick in die Runde. »Wir kommen aus
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