Grim
zuckte zusammen, und ihm selben Moment flammte ein Bild auf in dem Raum – die Ruinen einer Burg. Gleich darauf war es erloschen, doch Ogrul murmelte düstere Worte, weitere Funken glitten aus seinem Finger, boshaft rasten sie auf Lyskian zu, und noch während dieser seinen Zauber verstärkte, erreichten sie ihn. Dieses Mal ging ein Knall wie ein Peitschenhieb durch den Raum, die Umrisse des Zimmers verschwanden, Mia sah sich einem jungen Mädchen gegenüber, es hatte lockiges dunkles Haar und braune Augen, saß auf einem Baumstumpf im Wald und lachte. Es war ein warmes Geräusch, das sich in den Kronen der Bäume verfing, und als sie das Mädchen ansah, wusste sie, dass es das Meer liebte und den Duft von frisch gebackenem Brot, sie wusste, dass es um seine Schwester geweint hatte, die mit seiner Mutter im Kindbett gestorben war, und sie verstand, dass es eine Freundin war, nicht ihre, das nicht – aber Lyskians Freundin in lang vergangener Zeit.
Das Bild zerriss. Lyskian war nicht zurückgewichen, doch eine Strähne hatte sich aus seinem Haar gelöst und hing ihm in die Stirn. Aus irgendeinem Grund fuhr Mia dieser Anblick ins Mark. Nie zuvor hatte sie Lyskian auch nur ansatzweise am Ende seiner Kräfte erlebt, niemals einen Kontrollverlust bei ihm gesehen.
Grim trat dicht an den Rand ihres Schutzraumes. Lyskian , raunte er in Gedanken. Sein Zauber ist wie Gift! Du musst dich vor ihm verwahren!
Ein neues Bild flammte auf, Mia war es, als würde sie auf ein Fenster zusteuern, sie flog oder sprang, sie war rasend schnell. Sie schaute ins Innere eines Zimmers und sah das junge Mädchen dort liegen, todkrank und bleich, und wie es langsam den Blick zum Fenster wandte und sie ansah …
Ein Schrei zerriss das Bild. Mia wusste nicht, ob es Lyskian gewesen war, der diesen Laut ausgestoßen hatte, aber er schickte eine kristallene Welle aus Diamantfeuer auf Ogrul zu. Sie zerfetzte sämtliche Funken, die der Dämon in den Blitz gelegt hatte, doch noch während das Feuer ihm die Schatten gänzlich vom Gesicht riss, richtete der Dämon sich auf. Donnernd hörte Mia Grims Stimme in ihren Gedanken.
Brich es ab! , rief er Lyskian zu. Verdammt, du musst …
Doch es war schon zu spät. Ogrul riss den Kopf in den Nacken, Lyskians Blitz flackerte auf, und bevor Mia begriffen hatte, was das bedeutete, breitete der Dämon die Arme aus und lachte.
»Ich fühle Asche«, rief er und seine Stimme ließ den Boden so heftig beben, dass Steinsplitter von den Säulen sprangen. »Ich fühle Wind und weiches Haar! Und dann Blut … und Zorn … und … Tränen!«
Das Bild des Raumes fiel in sich zusammen, und Mia fand sich erneut in der Ruine wieder. Verbrannte Burgmauern ragten um sie herum auf, Ascheschwaden stoben durcheinander. Und dort, kaum wenige Schritte von ihr entfernt, saß Lyskian. Sein Haar wehte im Wind, und in seinen Armen hielt er das junge Mädchen. Sie war tot. Erschrocken wich Mia zurück, das Bild zerbrach, doch sie sah noch in Lyskians Augen, und sie wusste, dass sie ihn noch nie so gesehen hatte, so verzweifelt und traurig, so – menschlich. In seinen Augen hatten Tränen gestanden.
Ihre Wahrnehmung kippte erneut. Im Beschwörungszimmer lag noch immer das Entsetzen auf Lyskians Gesicht, und noch ehe die Erkenntnis Mia dazu brachte, aufzuspringen und zu schreien, riss Ogrul die Arme hinab. Sofort flammte Lyskians Zauber auf, verfärbte sich in grellem Orange – und schoss als gleißende Flamme auf ihn selbst zu. Krachend grub er sich in sein Fleisch und schleuderte ihn aus dem Bannkreis hinaus. Im selben Moment sprang Ogrul über die Flammen.
»Narren!«, kreischte er und brachte mit raschem Schlag seiner Faust zwei der Säulen zum Einsturz. »Ihr seid nichts weiter als Narren, armselige, unwichtige … «
Grim breitete die Schwingen aus. Er traf Ogrul mit einem mächtigen Hieb im Nacken, doch der Dämon wirbelte herum und grub seine Klauen in Grims Fleisch. Mia zuckte zusammen, als dessen Schmerzensschrei den Raum durchpulste. Sie sah das Fluchfeuer, das aus Ogruls Augen schoss und Grim einhüllte, und sie wollte gerade einen Frostzauber auf den Dämon schleudern, als Lyskians Ruf den Lärm durchdrang. Schattenschnell peitschte er durch Mias Gedanken, Grim riss die Faust empor. Lyskian lag zusammengebrochen am Boden, doch er warf ihm etwas zu, es war eines der Zeichen, die flammend in der Luft schwebten. Blitzschnell packte Grim es und schlug es Ogrul mit solcher Wucht gegen die Schläfe, dass dieser krachend
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