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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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Hier wurde nichts davon beseitigt und mit neuem Glanz wiederhergerichtet. Der Tod war nichts, wofür man sich hier schämte, nichts, das man beschönigen musste. Er war da, und er griff nach allem – nach der verrosteten Laterne mit dem gesprungenen Glas, hinter die jemand ein Gebinde aus Plastik gesteckt hatte, nach den zerbrochenen Gräbern, die aussahen, als wäre soeben ein ungeschickter Vampir aus seiner Gruft gekrochen, den Grabdeckeln mit den bemoosten Haken, die nur darauf zu warten schienen, wie eine Schatztruhe geöffnet zu werden, oder den Engeln in finsteren Grüften mit halb zerbrochenen Kuppeldächern über ihren Köpfen. Der Tod kam aus den Gräbern, aber er steckte auch in jedem einzelnen Blatt der alten Bäume, in jedem verrosteten Gatter und jeder morschen Bank, und gerade diese stille Selbstverständlichkeit verlieh dem Ort einen Zauber, der ihn ruhiger atmen ließ. In märchenhafter Dichte hatte Efeu die Gräber überwuchert, selbst Grim konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob die Statuen darunter Leben in sich bargen, und er ertappte sich bei dem Bedürfnis, in die Schatten der Bäume zu treten und den Geheimnissen nachspüren zu wollen – dem Rätsel dessen, was sich in Wirklichkeit unter dem Efeu verbarg oder tief in der Dunkelheit der Gräber.
    Auch Mia schien von der dunklen Poesie des Friedhofs fasziniert zu sein. Beinahe andächtig schaute sie zu den Engeln auf, deren Gewänder von grünem Moos überzogen wurden, als hätten sie lange auf dem Grund eines Meeres gelegen, und Remis durchschwirrte immer wieder die wie Zauberpforten halb offen stehenden Tore der Familiengräber, als würde er erwarten, auf der anderen Seite im Schwarzwald wieder herauszukommen. Gerade wollte Grim den Kobold fragen, was Rosalie davon hielt, wenn sie erführe, dass er auf einem Friedhof nach ihr suchte, als Lyskian sie zu sich rief.
    Er stand vor einer halb verfallenen Krypta aus schwarzem Marmor, der jedoch im Laufe der Jahrhunderte von Wind und Regen zerfressen worden war. Auch hier rankte sich Efeu um die Mauern, und von der Kuppel war nur noch das kupferne Gestell übrig geblieben. Wortlos wischte Lyskian mit der Hand einige Spinnweben beiseite und förderte das Bild eines in den Stein geritzten Wappens mit einer Eule im Zentrum zutage, die den Betrachter aus moosüberwucherten Augen anstarrte.
    »Ogrul sprach von einem Blutkeller«, sagte er. »In lang vergangenen Zeiten gab es viele ihrer Art. Sie dienten meinem Volk als Rückzugsort, als Schutzraum vor allem, das sie verfolgte. Mit der Zeit wandelten sie sich zu Ritualräumen, Kerkern und Bannpunkten Schwarzer Magie. In vielen Kellern wurden andere Kreaturen lebendig begraben, manchmal, um den Ort magisch aufzuladen, manchmal aus reiner Bosheit, und auch die Verwendung von Knochen zu dekorativen Zwecken war keinesfalls unüblich. Doch Wände, die Ogrul beschrieben hat, gibt es nur in wenigen Blutkellern. Wände aus Fleisch – das von jenen Menschen stammt, die die Ersten meines Volkes einst jagten. Lange waren diese Keller in Vergessenheit geraten, bis einige Vampire sie für blutige Orgien wiederentdeckten. Doch hier in Prag machten sie einen Fehler: Sie hinterließen Spuren. So konnte Thoron sie vor langer Zeit vernichten. Der Schwarze Keller jedoch existiert noch immer. Ich weiß, dass er unter dieser Krypta liegen soll, und ich kenne die Gerüchte um die anderen Regionen dieser Stadt, in die seine dunkle Kammer führt – Regionen, die seit langer Zeit kein Vampir mehr betreten hat.«
    Lyskian schob die Tür zur Krypta auf. Knisternd zerrissen die Spinnweben, und sie betraten einen kleinen, mit Unrat, Blättern und zerbrochenem Glas übersäten Raum. Gegenüber der Tür hatte offenbar mal ein Altar gestanden, der jedoch schon vor einer ganzen Weile an Altersschwäche zusammengebrochen war und sämtliche Reliquien und Erinnerungsstücke unter sich begraben hatte. Zwei winzige Fenster waren von Spinnennestern überwuchert, und dort, halb in den Schatten verborgen, stand eine Statue in der Ecke, die Grim bekannt vorkam. Schnell trat er vor und riss die Efeuranken beiseite, die sich durch das Dach einen Weg ins Innere gebahnt hatten.
    »Seht euch das an«, murmelte er. Abgesehen von deutlichen Anzeichen der Verwitterung hatte die Statue verteufelte Ähnlichkeit mit jenen, die sie in der Vision der Schattenakademie gesehen hatten.
    »Wenn das kein Zeichen ist«, stellte Remis fest und flog dicht an das Gesicht der Statue heran. Sein Schein erhellte die

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