Grim
Flimmergassen hielt sie inne und wandte sich um. Wie in Trance sah sie, dass die Dämonen das Zepter der Menschen an sich gebracht hatten, sie eilten auf Verus zu, der sich das Artefakt anlegte und die Faust in die Höhe riss. Mia fuhr sich über die Augen, es schien ihr, als wäre sie in einem Albtraum gelandet, als sie den Blick über die brennenden Häuser und das Chaos gleiten ließ, das die Dämonen binnen kürzester Zeit angerichtet hatten.
Grim , dachte sie und spürte ihr Herz schmerzhaft gegen ihre Rippen schlagen. Wo bist du?
Da zerriss ein Lachen ihre Gedanken, ein Lachen, das nicht von außen, sondern aus ihrem eigenen Inneren kam. Erschrocken griff sie sich an die Schläfe, ein ungeheurer Druck pochte plötzlich in ihrem Schädel, doch sie hörte Verus’ Stimme in ihren Gedanken, mehr als das: Sie fühlte, wie der Dämon durch ihren Körper raste, wie er ihr Blut aufpeitschte und ihr einen stechenden Schmerz in die Glieder schickte.
Sturmtochter , rief er und sie sah, wie er über die Dächer der Stadt hinwegraste, das Zepter der Menschen in seiner Hand. Sorge dich um dich selbst!
Der Druck in Mias Kopf nahm zu, sie musste husten und starrte entsetzt auf das Blut, das über ihre Lippen kam.
Denn das Schöne …, schoss Verus’ Stimme durch ihre Gedanken, und erneut peitschte der Schmerz durch ihren Körper, … ist nichts als des Schrecklichen Anfang!
Sie fiel auf die Knie, ihre Hände hinterließen blutige Striemen auf dem Pflaster. Der Schmerz explodierte in ihrem Schädel. Die grausame Stimme und das Bild, das sie nun sah, füllten sie ganz aus: Ghrogonia, die Hauptstadt der Anderwelt war ein Trümmerfeld, über das Verus inmitten seiner Dämonenschar dahinjagte – Verus, der Goldene Schatten der Verkommenheit und Feind der Gargoyles und der Menschen.
Kapitel 11
Mit einem Brüllen, das die Wände des Schlosses zum Beben brachte, warf Grim sich in seine Fesseln. Doch sie schnitten ihm nur tiefer ins Fleisch und beschworen ein Gefühl der Ohnmacht. Es war zwecklos. Seraphins Bann war zu stark, er konnte ihn nicht zerreißen.
Schwer atmend sank er in den Fesseln zusammen und lauschte auf die Stille, die ihn umgab – das atemlose Verharren der Menschen vor den Fenstern und die Lähmung von Remis und den anderen, die gelegentlich mit flatternden Lidern etwas murmelten, als würden sie fühlen, dass sie erwachen sollten, nur um dann doch wieder in die trügerische Wärme ihres Traums zurückzusinken.
Grim hob den Kopf und sah zu der Stelle hinüber, an der Seraphin verschwunden war. Du hast mich vor einer großen Finsternis bewahrt , ging dessen Stimme durch seine Gedanken. Ich möchte nicht, dass du sie durchschreiten musst, wie ich es einst tat. Er dachte an den Schatten, der bei diesen Worten in Seraphins Blick getreten war, an die Dunkelheit, die nichts als Schmerz bedeutete, und obwohl er seinem Bruder am liebsten ein paar sehr deutliche Takte zu seiner aktuellen Lage erzählt hätte, wusste er, dass er es ernst gemeint hatte. Seraphin wollte ihn schützen, er würde nichts tun, das Grim schaden konnte. Dieser Gedanke ließ ihn beinahe lächeln – bis sein Blick auf die Fesseln fiel, die sich in sein Fleisch gegraben hatten. Es war eine reichlich merkwürdige Art, jemandem seine Zuneigung zu zeigen, indem man ihn in der Traumwelt festhielt und an eine verdammte Schlosswand kettete!
Vorsichtig bewegte er die Klauen, um die Fesseln zumindest ein wenig zu lösen, und dachte an den Zauber, der sich in Seraphins Hand zusammengezogen hatte. Welchen Gefallen er Verus auch immer geschuldet hatte – der Dämon hatte ihn zu seinen Gunsten genutzt, so viel stand fest. Grim ging jede Wette ein, dass Seraphin ihn mit Hilfe der Traumenergie aus seinem Kerker befreien würde. Und nicht nur ihn. Er hatte die Stärke des Zaubers gefühlt, sie reichte aus, um sämtliche Diamantkerker auseinanderzureißen, die in den Kellern des Schwarzen Dorns lagerten. Erneut sah er Ghrogonia vor sich, raste auf den Turm und das Gefängnis zu, und noch während er durch die diamantenen Gänge jagte, wurde die Unruhe in ihm übermächtig.
»Verflucht!«, brüllte er und zerrte an den Fesseln, dass er vor Schmerz stöhnte. Seraphin, dieser verdammte Hybrid, würde was erleben, sobald er sich befreit hatte. Er musste sich dieser Fesseln entledigen, und dann
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