Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
Immobilienofferten fest, dass er sich nur eine Bruchbude leisten konnte, und zwar in Little Widehips, das irgendwo in England lag - an der Küste von Devon? Oder vielleicht in Cornwall? Oder auf den Scilly-Inseln? Wieso meinten Immobilienmakler eigentlich immer, man wüsste, wo diese Orte sich befanden, als hätte man dieses Beekeeper's Cottage in Little Widehips etwa auf einer mentalen Landkarte eingezeichnet? Es könnte doch genauso gut in Bermondsey oder gar in Slough liegen, der wohl deprimierendsten Ecke Englands. War eigentlich je vom »guten alten Slough« die Rede? Melrose hätte nichts dagegen, dieses Beekeeper's Cottage anzumieten - oder es gar käuflich zu erwerben, wenn er es anders nicht kriegen konnte -, um sich dann achtundvierzig Stunden später wieder zu verziehen, bloß um vom »guten alten Slough« reden und spüren zu können, wie sich sein Blick gerührt umflorte. Oder waren es die Ohren? Inzwischen hatte Agatha die ganze Zeit dagesessen, sich den Bauch vollgeschlagen und dabei herumgequasselt, ohne dass er einen blassen Dunst hatte, wovon sie redete.
»Was sagtest du da gerade über Boring's?«, fragte er.
»Ich finde es geradezu absurd, dass jemand in der heutigen Zeit noch Mitglied in einem Herrenklub ist.«
»Dafür ist so ein Klub aber doch da - für Herren.« Melrose kratzte sich am Ohr.
»Du weißt genau, was ich meine.« Sie griff nach einem Kremröschen, von denen Melrose wusste, dass ihre Herstellung eine Heidenarbeit war - lauter kleine, spitz zulaufende Blütenblättchen, dazu Meringue und Erdbeersahne. Wieso hatte Martha so eines überhaupt aufs Tablett getan? Vermutlich für ihn - dabei hatte sie allerdings vergessen, dass Agatha alles auf dem Tablett Befindliche verputzen würde.
»Was ist das?« Argwöhnisch beäugte sie das Kremröschen. »Es ist hart wie Meringue.«
»Das ist die Totenstarre.«
Hastig legte sie es wieder hin, worauf Melrose es sich schnappte. Er nahm einen Bissen.
»Hmm, hmm. Zergeht einem im Munde.« So war es in der Tat. Er biss noch einmal ab und deponierte den Rest auf seinem Tellerchen. »Martha macht sich deinetwegen ziemlich viel Mühe, Agatha, und du weißt es nicht zu schätzen.«
O doch, ich bin oft in der Küche und sage ihr, wie köstlich alles ist.«
»Oft in der Küche bist du, das weiß ich.« Er blätterte wieder eine Seite weiter, um sich mit der etwas glubschäugigen Hochehrenwerten Judith Pudelthwaite-Duchamps konfrontiert zu sehen. Judi war Mädchen-der-Woche (worin bestand da die Ehre?), ausgewählt wegen ihres Titels, ihrer Schönheit und ihrer hobbymäßigen Beschäftigung mit Renaissancemalerei, was sie an der Universität weiter betreiben wollte. In ihrem Überbrückungsjahr hatte sie vor, zu reisen und die großen Museen dieser Welt zu besichtigen. Wieso machte Judi nicht Zwischenstation in Agathas Cottage in der Plague Alley? Dort gab es Dinge, die sich mindestens seit der Renaissance angesammelt hatten. Die ausgestopfte Eule auf dem Kaminsims beispielsweise.
Oh, Judi, Judi, in Wirklichkeit wirst du den Jungs hinterherlaufen und einen von diesen »Ehrenwerten« heiraten und von Mummys und Daddys Geld leben und auf die Fuchsjagd gehen und in Newmarket und Wembley Picknicks veranstalten und dem Women's Institute beitreten.
»Melrose, was machst du?«
»Ich denke nach.«
»Ach, das tust du schon viel zu viel. Du hast gerade ziellos in die Gegend geguckt. Also, was ist, triffst du dich mit Inspector Jury, wenn du in London bist?«
Melrose seufzte genervt. »Ständig degradierst du ihn, Agatha. Er ist Superintendent. Das ist in der Rangordnung ganz weit oben.«
»Pah, er korrigiert mich aber nie.«
»Das hat er auch nicht nötig.« Es stimmte, außer gelegentlich bei gewissen Schurken, wo Widerworte angebracht waren. Er kannte niemanden, dachte sich Melrose, der so friedfertig war wie Jury.
»Eins kann ich dir sagen: Ruthven und Martha werden mich nicht oft zu sehen bekommen, solange du weg bist, schon wegen des abscheulichen Eremiten, den du dort drüben einquartiert hast.« Sie deutete mit dem Kopf in die Richtung seitlich des Hauses, wo sich jenseits des weitläufigen Rasens in einiger Entfernung die Eremitage befand, damals im achtzehnten Jahrhundert eine sehr aktuelle Einrichtung.
»Da werden sie aber untröstlich sein. Da die Eremitage leer stand, gab es eigentlich keinen Grund, fand ich, ihn nicht dort wohnen zu lassen. Als hoffnungsvollen Lichtblick in unserer schwächelnden Wirtschaft.«
»Der kraucht aber nur
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