Grimes, Martha - Mordserfolg
meinst du nicht auch?).
Und jetzt machst du dem allem dadurch ein Ende, dass du mich hier auf dieser Bank im Jardin du Luxembourg sitzen lässt – im Regen übrigens; es hat angefangen zu regnen – mit diesem Brief in der Hand und ohne Patric und ohne dass ich für diese vierjährige Affäre irgendetwas vorzuweisen hätte – so lange hast du nämlich gebraucht, damit ich jetzt ohne alles dastehe… Vier verschwendete Jahre –
Aber ich glaube nicht –
Du hättest wenigstens zulassen können, dass ich mir eine Schusswaffe besorge, nach Roquebrun fahre und ihn erschieße. Dir macht es doch nichts aus, dir würde es nicht wehtun, und mir würde es erlauben, es ihm heimzuzahlen – ganz zu schweigen davon, dass es ein grandioser Schluss wäre, mit dem sich viel mehr Exemplare dieses Romans verkaufen würden, als du eingeplant hast. Nämlich gar keine.
So ein Schluss würde mir später womöglich zu schaffen machen.
Dauernd geht es um dich, nicht wahr? Um dich! Du denkst an keinen außer an dich selbst! Mir bleibt also das hier (sie hielt den Brief in die Höhe), Patric kommt ungeschoren davon, und das ist dann der Schluss!
Er kommt aber doch gar nicht ungeschoren davon. Er leidet wirklich.
Ach, ja? Und wieso merke ich dann hier nichts davon?
(Ned konnte fast hören, wie sie die heutigen Manuskriptseiten durchwühlte.) Er sagte: Es ist nicht aufgeschrieben. Du solltest doch wissen, dass er leidet, denn so ein Mann ist Patric eben –
Nein. Das war gelogen. Patric, der Dreckskerl, leidet nicht besonders. Aber das konnte er Nathalie ja schlecht sagen.
Du weißt, dass es schwer für ihn war. Du weißt, dass er sich hin und her gerissen fühlte. Du weißt, dass er dich liebt. Das alles weißt du… Wieder gelogen. Patric fühlte sich nie hin und her gerissen. Seine Eifersucht – und er war wirklich eifersüchtig gewesen – war kein Zeichen von Liebe, sondern von Ichbezogenheit. Er ertrug die Vorstellung von Nathalie mit einem anderen Mann nicht, auch wenn er die meiste Zeit selbst gar nicht bei ihr war. Aber auch das konnte Ned ihr schlecht sagen. Also wiederholte er: Du weißt, wie er leiden wird.
Lange blieb es still.
Ich werde darüber nachdenken, sagte sie und wandte das Gesicht ab.
Die Schatten verwandelten sich in Nacht. Sie versuchte, in ihre Zukunft zu blicken – lauter unbeschriebene Blätter, die davonflatterten wie Kalenderblätter in einem Film, datiert, aber leer.
Nathalie wusste nicht, weshalb sie hier war oder wohin sie von hier gehen würde, ja nicht einmal, wer sie war. Es gab nichts, was sie im Park oder auf der Seite noch hielt.
Ned machte seinen Füllfederhalter wieder zu und betrachtete diese wenigen Zeilen. Was es wert gewesen war, gesagt zu werden, hatte er gesagt. Mehr gab es einfach nicht zu sagen. Er legte die Seiten zu den anderen und starrte sie einen Augenblick stumm an. Dann befestigte er ein Gummiband um das Manuskript und saß in Betrachtung versunken da und fragte sich, wieso er es getan hatte, wieso er es so hatte enden lassen.
Er war nicht in dieser Hochstimmung wie nach dem letzten Buch, wie nach Beendigung jedes geschriebenen Textes. Er war eigentlich nicht sehr stolz auf sich.
Er hatte sehen wollen, wie weit sie gehen würde, und deshalb hatte er sie losgelassen. Sie hatte ihre Flügel nicht ausgebreitet, sie hatte sich nicht davongemacht, obwohl es nichts gab, was sie im Park oder auf der Seite noch hielt.
44
Sie waren ins Old Hotel gegangen, um die Tatsache, dass sowohl Ned als auch Saul ihre Romane beendet hatten, mit einem Abendessen gebührend zu feiern. Sally bestand darauf, dass dies ein Grund zum Feiern war. »Oder ein Grund zur Besorgnis«, hatte Saul hinzugefügt.
»Saul, Saul, Saul, jetzt machen Sie sich nicht lächerlich.«
»Sally, Sally, Sally, Sie haben das Manuskript noch nicht gelesen.«
»Sie sehen ungefähr so hoffnungsfroh aus wie meine letzte Romanze«, sagte Jamie und stupfte in Richtung Sally mit dem Gäbelchen, das sie zu ihren Miesmuscheln bekommen und sich danach geweigert hatte, dem Kellner zurückzugeben, als er die Teller abräumte.
Jamie bezog sich natürlich auf ihren letzten, bei Mardi Gras Publications erschienenen Liebesroman, doch fand Sally die Wendung recht hübsch. »Meine letzte Romanze.« War das nicht einmal ein bekannter Song gewesen? Aber dann musste Sally an Jamies Bücher denken und die Besorgnis, die Saul wohl kaum ernst gemeint hatte, kam in ihr hoch. Sally fühlte sich nicht wohl in ihrer Rolle als
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