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Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition)

Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition)

Titel: Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Passarella
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ihr Gefängniswärter in die Gemeinschaftszelle zurück, um sie zu bestrafen. Er trat sie so lange, bis sie schwieg, und ließ sie dann mit gebrochenen Rippen zurück. Bei Ginos Ankunft war ihr Geist ebenso gebrochen gewesen, wie es ihre Knochen waren.
    Obwohl sie nicht länger schrie, konnte sie auch nicht still bleiben. Sie erzählte ihnen, dass der Mann sie alle umbringen würde. Es gab keine Lösegeldforderungen. Keinen Handel. Keine Diskussionen mit dem Verrückten. Wenn ihre Zeit gekommen war, schleifte er sie einen nach dem anderen mit sich. Manchmal holte er zwei in einer Nacht. Jedes Mal hatte sie die schrecklichen Schreie gehört – und danach herrschte wieder Stille.
    Stunden nachdem er einen der Gefangenen geholt hatte, waren aus den oberen Bereichen des Hauses Geräusche zu hören, als ob dort eine Party gefeiert wurde. Jede Nacht eine Party. Und Alice fragte sich, wie sich diese Feiernden in Gegenwart des Monsters, das sie quälte und ermordete, aufhalten konnten, ohne mitzubekommen, was direkt vor ihrer Nase passierte?
    Seit zwei Nächten hörte Gino nun auch diese fröhlichen Geräusche. Doch anstatt ihnen Ignoranz vorzuwerfen, ging er vielmehr von Schuldgefühlen aus, da sie an der Sache beteiligt waren. Was immer den Gefangenen im Keller auch passierte, die Feiernden waren ein Teil davon. Hätte er lauter sprechen und nicht nur murmeln können, dann hätte er Alice und den anderen von seinem Verdacht erzählt. Vielleicht hätte er aber auch trotzdem geschwiegen. Für einige von ihnen, die eingeschüchtert in der Dunkelheit lagen, mochte es die letzte Hoffnung sein, sich an die Vorstellung zu klammern, dass die Feiernden möglicherweise irgendwie von ihnen erfuhren und die Polizei riefen, die ihnen zu Hilfe kam.
    Nein, Gino wollte nicht an Alices hoffnungslose Prognose glauben, aber er konnte den Gedanken daran auch nicht abschütteln. Wenn sie nicht entkommen konnten, dann waren sie wirklich dem Untergang geweiht und wurden einer nach dem anderen abgeholt, bis sie alle tot waren … oder Schlimmeres mit ihnen geschah.
    Die Strohklumpen bewegten sich unter ihm und gaben einen üblen Gestank nach Blut und Urin ab. Außerdem roch es nach den Tropfen des Haferschleims, der über die Holzeimer geschwappt war, aus denen sie ihr Gefängniswärter alle zwei oder drei Tage fütterte. Gino hatte einmal davon gekostet, weniger als eine Kelle voll des kalten, klumpigen Breis, der wie nasse Pappe schmeckte – wenige Stunden, nachdem er gefesselt worden war, und noch immer benommen von dem Schlag, der ihm das Bewusstsein geraubt hatte. Kurz danach war er geknebelt worden. Selbst wenn sie nicht an die Wand angekettet wären, war der Großteil von ihnen viel zu schwach, um sich zur Wehr zu setzen.
    Irgendwann hatte er es geschafft, seinen Knebel zu lockern, und spuckte den blutigen Stofffetzen aus dem Mund. Sein Körper war mit getrocknetem Schweiß und frischem Blut bedeckt. Ginos Muskeln zitterten vor Erschöpfung. Aber er hatte einen kleinen Sieg errungen, den ersten seit Beginn dieser albtraumhaften Qualen.
    „Wie … wie spät ist es?“, krächzte er, und seine Stimme hörte sich in seinen eigenen Ohren merkwürdig an. Wie lange hatte er wach gelegen?
Zu lange
, dachte er,
die Zeit wird knapp
. Schon bald würde ihr Wärter wiederkommen und einen von ihnen mitnehmen.
    Zuerst bekam er keine Antwort. Vielleicht konnte ihm auch keiner antworten. Die Uhrzeit war eigentlich bedeutungslos geworden, nur die Tageszeit zählte noch.
    „Zu spät“, sagte Alice schließlich.
    Da hörten sie auch schon die schweren Schritte.
    Das Klicken des Schließbolzens in der Stahltür.
    Weitere knarrende Schritte auf den vier Holzstufen, die in den langen Kellerraum führten.
    Gino stellte fest, dass er sich davor fürchtete, die hoch aufragende Gestalt anzusehen, die durch die dunklen Löcher, die in ihre Stoffhaube geschnitten worden waren, auf ihre Gefangenen herabblickte. Anfangs hatte Gino die Haube für ein gutes Zeichen gehalten. Wenn der Mann sein Gesicht vor ihnen verbarg, dann musste er davon ausgehen, dass sie wieder freikamen – zumindest einige von ihnen –, und er trug die Haube, um seine Identität vor ihnen zu verschleiern, damit sie ihn später nicht wiedererkennen konnten. Aber dann hatte Gino begriffen, dass er die Haube trug, um seinen Gefangenen Angst einzujagen. Man hatte das Gefühl, in einen bodenlosen Abgrund zu blicken, wenn man dem Mann in die Augen sah. Sie waren die Augen eines seelenlosen

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