Grimwood, Ken - Replay
periodisch zum Leben erwachten.
Sie nickte nachdenklich, auf eines ihrer verschlungenen Mandalas konzentriert. »Haben Sie über den Hinduismus gelesen?« fragte sie. »Die Rig-Veda, die Upanishaden?«
»Nur die Bhagavadgita. Vor langer, langer Zeit.«
»Schon viele der Geburten sind für mich so wie für dich dahin«, zitierte sie mühelos. »Mir sind sie alle wohlbekannt, doch nicht so, Tapfrer, deinem Sinn.« Ihre Augen leuchteten vor Intensität. »Manchmal denke ich, es ist unsere Erfahrung, worüber sie in Wirklichkeit reden: nicht Reinkarnation entlang einer linearen Zeitachse, sondern kleine Bruchstücke der Geschichte der ganzen Welt, die angelegentlich wieder und immer wiederkehren… bis wir erkennen, was geschieht und wir fähig sind, den normalen Fluß wiederherzustellen.«
»Aber wir sind uns dessen bewußt, und es geschieht weiter.«
»Vielleicht hält es an, bis jeder einzelne über das Wissen verfügt«, sagte sie ruhig.
»Das glaube ich nicht; wir wußten beide augenblicklich Bescheid, und es scheint so, als würde man es entweder erkennen oder nicht. Jeder andere durchläuft einfach nur die gleichen Muster.«
»Ausgenommen die Leute, deren Leben wir berühren. Wir können Veränderungen einführen.«
Jeff lächelte zynisch. »Dann sind wir beide Propheten, Erlöser?« Sie schaute aufs Meer hinaus. »Vielleicht sind wir das.«
Er setzte sich aufrecht hin, starrte sie an. »Warten Sie einen Moment; das ist doch nicht das, worum es in Ihrem Film im Grunde geht, oder, die Leute vorzubereiten auf…? Sie haben doch nicht vor…«
»Ich bin mir nicht sicher, was ich vorhabe, noch nicht. Alles ist anders geworden, jetzt wo Sie aufgetaucht sind. Damit habe ich nicht gerechnet.«
»Was wollen Sie tun, irgendeine Art von Kult in die Welt setzen? Wissen Sie nicht, welche Katastrophe…
»Ich bin nicht allwissend!« erwiderte sie heftig. »Ich bin genauso durcheinander wie Sie, und ich will nichts weiter, als meinem Leben einen Sinn geben. Wollen Sie einfach aufgeben, nicht einmal herauszufinden versuchen, was es bedeutet? Dann viel Glück! Gehen Sie zurück, zu Ihrer gottverdammten Farm und vegetieren Sie, aber erzählen Sie mir nicht, wie ich mit all dem zurechtzukommen habe, okay?«
»Ich habe Ihnen lediglich meinen Rat angeboten. Können Sie sich sonst jemanden vorstellen, der dazu qualifiziert wäre, unter den gegebenen Umständen?«
Sie blickte ihn finster an, ohne daß ihr Ärger schon abgekühlt war. »Wir können später darüber reden. Wollen Sie sich jetzt meine Geschichte anhören, oder nicht?«
Jeff ließ sich in die weichen Kissen zurücksinken, beäugte sie vorsichtig. »Natürlich will ich«, sagte er in ausgeglichenem Tonfall. Es ließ sich nicht vorhersagen, was sie explodieren ließ. Nun, er konnte verstehen, was sie durchgemacht haben mußte; er konnte nachsichtig sein. Sie nickte einmal heftig. »Ich hole uns noch ein Bier.«
Pamela Philipps, erfuhr Jeff war 1949 in Westport, Connecticut geboren, als Tochter eines erfolgreichen Immobilienmaklers. Sie hatte eine normale Kindheit gehabt, die üblichen Krankheiten, die gewöhnlichen Freuden und Träumen der Adoleszenz. Sie hatte in den späten Sechzigern am Bard College Kunst studiert, eine Menge Dope geraucht, war gegen Washington marschiert, war mit ebenso vielen Männern ins Bett gegangen wie die anderen jungen Frauen ihrer Generation. Den Konventionen entsprechend, war sie nicht lange nach Nixons Rücktritt ›vernünftig‹ geworden; sie hatte einen Rechtsanwalt geheiratet, war nach New Rochelle gezogen. Bekam zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Sie las gerne Liebesromane, ihr Hobby war Malen; wenn sie die Gelegenheit dazu hatte, leistete sie sich ab und zu etwas Wohltätigkeitsarbeit. Sie hatte sich darüber geärgert, keine Karriere gemacht zu haben, hatte gelegentlich heimlich einen Joint geraucht, wenn die Kinder im Bett waren, hatte Aerobic gemacht, um ihre Figur in Form zu halten.
Sie war im Alter von neununddreißig Jahren an einem Herzanfall gestorben. Im Oktober 1988.
»An welchem Tag?« fragte Jeff.
»Dem achtzehnten. Am gleichen Tag, an dem es bei Ihnen passierte, aber um viertel nach eins.«
»Neun Minuten später.« Er grinste. »Sie haben die Zukunft gesehen. Mehr davon als ich.«
Das ließ sie beinahe lächeln. »Es waren öde neun Minuten«, sagte sie. »Abgesehen vom Sterben.«
»Wo waren Sie, als Sie aufwachten?«
»Im Freizeitraum im Haus meiner Eltern. Der Fernseher lief, eine
Weitere Kostenlose Bücher