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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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Verantwortliche beeilen müssen. Zudem fehlten ein paar Bolzen, und von der Wand hing wie vergessen ein gelbes Stück Klebeband statt eines vollständigen X wie vor den Eingängen der meisten anderen Apartments unter Quarantäne.
    Die Tür von Nummer 27 ein paar Meter weiter stand offen. Sie schwang vor und zurück, fast wie zu Musik; während sie rhythmisch gegen den Rahmen stieß, schlug Karens Herz im Takt mit. Zaudernd näherte sie sich, wobei sie die Waffe vor sich hielt. Eine einzelne Fliege flog aus der Wohnung und ließ sie auffahren. Im Eifer wollte sie darauf schießen, beruhigte sich aber rasch wieder.
    Zuerst spähte sie nur in den Flur, weil sie nicht ernsthaft eintreten wollte. Sie spürte einen Windzug, also musste jemand ein Fenster aufgelassen haben. Der Geruch ließ mehrere Assoziationen zu; sie gewöhnte sich langsam daran: Schweiß, penetrant und schwer. Der bittersüße Duft des Todes, der sie im Rachen kitzelte. Verdorbenes Essen, geronnene Milch. Verstopfte Abwasserrohre. Ein höllisches Parfüm.
    Sachte und immer noch mit flimmerndem Herzen schlich Karen hinein. Im Wohnungsflur hatte das Blut ähnliche Muster wie auf dem Gang hinterlassen, nur dass es sich lebhafter von der Blumentapete abhob. Bilder und Schmuckgegenstände lagen zerbrochen auf dem Teppich, aus einer umgestürzten, noch heilen Vase ließen längst vertrocknete Blumen die Köpfe hängen. Porzellanhündchen waren in den Teppich getreten worden und sahen nun wie echte überfahrene in Miniaturansicht aus. Der eingeschlagene Fernseher hatte eine unsanfte Landung auf dem Boden hinter sich. Hier war offensichtlich gekämpft worden.
    Karen ging weiter durch den Flur und schaute auf die Badezimmertür. Sie war geschlossen, das Bild eines idyllischen Landhauses daneben an die Wand genagelt. Es zeigte das krasse Gegenteil des Interieurs, in dem es hing – eine Idealwelt, die überhaupt nichts über das Apartment und seine Einrichtung aussagte, geschweige denn die Bewohner.
    Karen drückte die Wohnzimmertür ein Stück weiter auf und blickte aus sicherer Distanz hinein. Die Teppiche trieften vor Blut, das sich auf dem spießigen Knüpfmuster wie Marmelade ausmachte. Es schien, als seien Tote nach einer heftigen Auseinandersetzung aus dem Raum gezerrt worden. Karen fing an, sich Gedanken über das schiere Ausmaß des Leides zu machen, das die Bewohner des Hauses vor der Evakuierung erfahren hatten. Ihr war klar, dass sich die Situation zunehmend verschlechtert hatte. Gott allein wusste: Sie saß mittendrin, genauso wie alle anderen, die überlebt haben mochten, doch sie war relativ früh von zu Hause geflohen und in der Kirche untergekommen, bevor das Inferno richtig begonnen hatte. Was war mit den Zurückgebliebenen – ob freiwillig oder nicht – geschehen, bevor man ganze Wohnsiedlungen auf die gleiche Weise wie die Apartmenthäuser abgeriegelt hatte?
    Eine plötzliche Bewegung hinter ihr schreckte Karen auf. Sie fuhr mit erhobener Waffe herum. Im Flur stand Pat.
    » Ganz ruhig«, keuchte er. »Ich bin es.«
    »Tut mir leid«, antwortete sie und nahm die Pistole herunter. Ihre Wut auf ihn hatte seit vorhin nicht abgenommen. Wut und Angst. Nie hätte sie gedacht, dass er so gemein sein, sie so verletzen konnte.
    »Du hast nicht auf mich gewartet«, bemerkte er beinahe gekränkt.
    »Ich weiß.« Sie fürchtete sich davor, was passieren mochte, wenn sie ihn wieder gegen sich aufbrachte. »Ich … ich wusste nicht, wo du warst. Dachte, du schläfst oder so.«
    »Oh. Dann ist gut.« Sie sah, wie er den Blick über das Chaos im Wohnzimmer hinter ihr schweifen ließ, über den kaputten Fernseher, die langen Scherben des Bildschirms, die größtenteils vor der Heizung lagen, und die Vorhänge, die von den Stangen gerissen worden waren. Zerknitterte Fensterläden, ein umgestoßener Eimer auf dem Teppich, vor dem Erbrochenes im Teppich eingetrocknet war, daneben verschmiertes Blut. »Was für eine Schweinerei«, sagte er und schürzte die Lippen.
    »Das kannst du laut sagen«, entgegnete Karen kleinlaut. Sie konnte ihm nicht in die Augen schauen, geschweige denn ein zwangloses Gespräch mit ihm führen.
    »Irgendwas Brauchbares gefunden?«, wollte er wissen.
    »Riech doch«, gab sie zu bedenken, indem sie die Nase rümpfte. »Hat keinen Zweck, hier nach etwas Essbarem zu suchen.« Das hatte sie allerdings auch nicht vor. Sie wollte sich verstecken. Vor ihm. Aussprechen konnte sie das natürlich nicht.
    »Na dann«, wiederholte er. Es war eine

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