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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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Informationen alles nur noch schlimmer machen würden.
    »War das die Zeit, in der sich die Zustände verschlechterten?«, fragte George. »Als es eng im Lager wurde?«
    Paddy fixierte den Cop, als er weitersprach, fing jedoch unvermittelt und still zu weinen an, indem er rhythmisch mit den Schultern zuckte. Dabei schaute er hinunter. Was er verdrängt hatte, gelangte jetzt wieder an die Oberfläche, wie Geri vermutete. Geschehnisse, die er nachdrücklicher in Erinnerung gehalten hatte als sein früheres Leben oder die Arbeit. Kurz dachte sie über die Macht von Erfahrungen nach; ein besonderer Moment im Leben konnte alles Bisherige überschreiben und Zukunftspläne hinfällig machen. Diese krasse Vorstellung ängstigte sie.
    » Die Zustände verschlechterten sich deutlich, als mehr Leute kamen«, bestätigte Paddy kaum lauter als mit einem Wispern. McFall bot ihm ein Taschentuch an, mit dem er sich leise schnäuzte, ehe er fortfuhr. »Es wurden zu viele. Ich bekam mit, wie sich die Wachen bei den Ärzten darüber beschwerten. Manche von ihnen versuchten sogar, die Transporter wieder fortzuschicken, doch als die Situation kurz vorm Eklat stand, blieb ihnen keine andere Wahl, als die Tore zu öffnen und sie alle aufzunehmen. Die Toten waren zu der Zeit überall. Wir rochen sie vor dem Lager. Sie zogen wie hungrige Räuber Kreise, und da sie uns komplett umzingelt hatten, war es sehr schwierig für die Fahrer, uns zu erreichen und wieder zu verlassen. Irgendwann blieben sie einfach und parkten innerhalb des Begrenzungszaunes, der den Kern des Lagers umgab. Schon kurze Zeit später warteten dort so viele Transporter, dass die Wachen die Tore nicht mehr öffnen oder schließen konnten, um weiteren die Zufahrt zu ermöglichen. Dann wurde es richtig chaotisch, denn ihr müsst euch vorstellen, dass zu dem Zeitpunkt absolut kein Platz mehr war. Die Leute wurden wie Sardinen in der Büchse zusammengepfercht, und man schlief im Stehen. Das Abwassersystem brach zusammen, und …«
    Paddy verlor die Fassung und heulte ungehemmt los.
    »Hey.« Geri streckte die Hand nach ihm aus, um Strähnen von seiner Stirn zu streichen. »Ist schon gut …«
    Er hob sein verrußtes Gesicht und lächelte sie schwach an. Als sie sah, dass seine Zähne fast gelb waren, ekelte sie sich einen Augenblick lang. Dann schämte sie sich, weil der bedauernswerte Kerl eine furchtbare Odyssee hinter sich hatte, während sie sich über Körperpflege ereiferte.
    »Der Gestank« – er musste schlucken – »war kaum zu ertragen. Die Wächter vernachlässigten uns immer mehr. Einmal am Tag luden sie Nahrungsmittel ab, und das war ’ s dann. Die Menschen litten Hunger, weshalb Kämpfe losbrachen um das, was man uns hingeworfen hatte. Zuerst schritten die Bediensteten auch noch ein, erschossen sogar einen Mann, der sich mit einem kleinen Jungen um ein paar Stücke Brot stritt, aber … recht bald kümmerte sich niemand mehr darum. Damit erfuhr das Elend noch eine Steigerung.«
    Geri wollte, dass er aufhörte. Sie hatte genug gehört, um sich keine Illusionen darüber zu machen, die Zivilisation, wie sie sie verstand, könne je wieder zur Normalität finden. Für sie stellte es das Ende der Fahnenstange dar. Es gab kein Zurück; die Menschheit hatte sich für immer verändert. Paddy sprach indes weiter, und McFall brachte ihm entgegen seiner vorherigen Verweigerung doch noch ein wenig Tee. Anhand des Geruchs aber, der Geri aus der Tasse in die Nase stieg, hätte sie schwören können, dass er einen Schuss Wodka hineingekippt hatte.
    »Zum Schluss schlugen sich auch die Wachen und Ärzte gegenseitig die Köpfe ein«, führte Paddy aus. »Einige ergriffen sogar die Flucht durch das Tor mit einem der Lastwagen. Wer dablieb, kümmerte sich eher darum, uns zu schützen, statt denen zu helfen. Deshalb hörten auch die regelmäßigen Essenslieferungen auf und –«
    »Du sagtest ›denen ‹ …«, fuhr Norman unerwartet dazwischen.
    »W-was?«, fragte Paddy. Er wirkte verwirrt und gereizt zugleich. Geri bemerkte, dass er von ihr loskommen wollte.
    »Gerade eben«, erklärte Norman weiter, »hast du »uns« gesagt und die Wachen gemeint, über die Lagerbewohner aber von ›denen ‹ gesprochen.«
    » Himmel nochmal!«, rief Geri brüskiert. »Wirst du den Mann wohl einfach reden lassen? Das ist kein beschissenes Verhör!« Sie hatte das Gefühl, Paddy jeden Moment verlieren zu können, womit ihnen der Blick in eine Welt, die niemand von ihnen kannte, versagt geblieben

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