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Grippe

Grippe

Titel: Grippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wayne Simmons.original
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Augen waren geöffnet, die Lider wie von Wäscheklammern festgehalten. Seine Pupillen erkannte man kaum, dafür aber das intensiv rot geäderte Weiß. Er sah so mitgenommen aus, dass Geri kurz erwog, er sei vielleicht über Nacht krank geworden, habe sich letztlich auch die Grippe eingefangen wie jeder andere, mit dem sie einst zu tun hatte.
    Er wandte sich ihr zu und lächelte bemüht, ehe er sich mit den Händen das Gesicht massierte.
    »Fuck«, fluchte er grundlos, um dann lauthals zu gähnen. »Hast du gepennt?«
    »Ich glaube ja«, erwiderte sie. »Aber nicht lange.«
    »Ich auch nicht«, ließ er sie wissen.
    Geri schaute zum Fenster hinaus und war überrascht, keine Leiche am Auto zu sehen.
    » Die haben anscheinend geschlafen«, bemerkte sie.
    Lark lachte. »Geschlafen wie Tote.«
    Eine Zeitlang saßen sie schweigend nebeneinander und starrten hinaus in die Einöde. Es tat fürwahr gut, einmal keine Verwesenden herumziehen zu sehen. Man hätte fast leugnen können, dass sie existierten. Vielleicht waren sie über Nacht verrottet oder hatten sich wie Geister in Luft aufgelöst, verschlungen von der aufgehenden Sonne als die bloßen Schatten des Lebens, die sie waren.
    »Geri.« Er hatte sie nie zuvor bei ihrem Namen genannt. »Was ist in jener Nacht passiert, als –«
    » Nicht«, unterbrach sie ihn und wandte sich ab. »Ich will mich nicht damit befassen oder bedauert werden. Kein Opferstigma. Das ist alles Bullshit, also –«
    »Okay«, antwortete er schlicht. »Ich werde nicht –«
    »Es ist nie passiert«, betonte sie strickt, indem sie sich umdrehte und ihm den Finger vorhielt.
    Erneut schwiegen sie und schauten auf den verlassenen Motorway. Sie taten jeweils, als seien sie allein, also in gewisser Weise voneinander getrennt, nur wie zwei Bäume, die Seite an Seite standen.
    Dann jedoch beugte sich Geri vor und küsste Lark zärtlich auf die Wange.
    »Danke«, wisperte sie, »für das, was du getan hast.«
    Seine Augen glänzten, aber er guckte weiter geradeaus, ohne zu blinzeln. Ihr Kuss schien sie versteinert oder eingefroren zu haben. Geri war sich ihrer selbst bewusster denn je, und sie begriff, dass ihre Beziehung eine Eigendynamik entwickelte, die ihr nicht gefiel.
    »Fahren wir weiter?«, fragte sie fordernd, um jedwede Romantik auszuhebeln, indem sie ihm mit der Hand deutete, die Plätze zu wechseln, sich hinter das Lenkrad klemmte und am Gurt und der Zündung fummelte.
    Lark drehte ihr den Kopf zu und grinste linkisch wie eh und je. Auch er hatte anscheinend verdrängt, was eben passiert war.
    »Sicher«, antwortete er. »Lass uns sehen, ob Georgey-Porgeys Kumpel noch unter den Lebenden weilt.«
    Geri schüttelte den Kopf und lachte. Der Witz war geschmacklos, kam ihr aber gelegen, um die Fronten zwischen ihnen wieder zu klären. Sie drehte den Schlüssel und trat aufs Gas, um den Landrover ruhig auf die Spur des Motorways zu bringen. Die Straßen waren leer, und das lag natürlich nicht an verschwundenen Geistern oder Schatten. Die bittere Realität bestand vielmehr darin, dass die Toten schlau genug waren, sich nicht allzu weit von dem ohnehin nur noch schwach mit Leben bevölkerten Stadtzentrum zu entfernen. Normalerweise gab es auf der Schnellstraße nichts von Interesse für sie. Auf Lark und Geri war eindeutig noch niemand aufmerksam geworden. Sie hätte gern gewusst, wie gut sie riechen und wie weit sie sehen konnten. Dass sie mehr oder minder taub waren, vermutete sie schon lange, doch hatten sich ihre übrigen Sinne deshalb umso besser ausgeprägt, quasi um den Hörverlust zu kompensieren?
    Schon nach kurzer Zeit fuhren sie in der Nähe des Warendepots vor, wo sie die beiden Polizisten zurückgelassen hatten. Norman und George selbst hatten zweifelsfrei unbeabsichtigt Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da eine Schar Toter vor dem Rolltor zusammengekommen war, als besuchten sie irgendein Großereignis, neueröffnetes Einkaufszentrum oder Rockkonzert. Sie sahen mitleiderregend aus: Die Köpfe hingen schlaff hinunter, als ob sie im Stehen schliefen, und dementsprechend müde wirkten sie auch. Gelangweilt ebenfalls, und Geri versetzte sich in ihre Rolle. Wie mochte man sich vorkommen, in einem solchen Körper gefangen zu sein, der zwar irgendwie vertraut, aber letztlich doch völlig fremd war? Eine halbgare Imitation dessen, was man eigentlich ersehnte, nämlich warmes Fleisch und lebendiges Blut. Befanden sie sich aus purer Eifersucht auf ihrem unermüdlichen Feldzug?
    Lark schien ihr

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