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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leigh Bardugo
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abschließen.«
    Sie schloss die Tür und ich hörte, wie der Riegel einrastete.
    Wie viele Stunden hatte ich plaudernd und lachend mit Genja verbracht? Wir hatten gemeinsam Tee getrunken und Kleider anprobiert, und sie hatte mich die ganze Zeit belogen. Das Schlimmste war, dass der Dunkle Recht gehabt hatte. Hätte ich mich weiter an Maljen und meine Liebe zu ihm geklammert, dann hätte ich meine Macht nie gemeistert. Aber das hatte Genja nicht ahnen können. Sie hatte nur gehorcht und mir dadurch das Herz gebrochen. Schwer zu sagen, was uns verbunden hatte, aber Freundschaft war es sicher nicht gewesen.
    Ich drehte mich auf die Seite, spürte das sanfte Schlingern des Schiffs. Fühlte es sich so an, wenn man in den Armen seiner Mutter in den Schlaf gewiegt wurde? Mir fehlte jede Erinnerung daran. In Keramzin hatte Ana Kuja manchmal leise vor sich hin gesummt, wenn sie abends die Lampen in den Schlafsälen gelöscht hatte. Das war das einzige Wiegenlied gewesen, das Maljen und ich je gehört hatten.
    An Deck versuchte ein Matrose den Wind mit seinem Ruf zu übertönen. Die Glocke läutete zum Wachwechsel. Wir sind am Leben , rief ich mir in Erinnerung. Wir sind ihm schon einmal entkommen, und es kann wieder gelingen. Aber das tröstete mich nicht und am Ende ließ ich meinen Tränen freien Lauf. Sturmhond war gekauft. Genja hatte sich für den Dunklen entschieden. Maljen und ich waren wie immer auf uns allein gestellt, hatten weder Freunde noch Verbündete, befanden uns mitten auf einem unbarmherzigen Meer. Und falls wir tatsächlich noch einmal entkommen sollten, dann würden wir kein sicheres Versteck finden, nirgendwo.

Eine gute Woche später sah ich die ersten Eisschollen. Wir befanden uns im hohen Norden, dort, wo gefährlich spitzes Eis aus dem immer dunkler werdenden Meer auftauchte. Es war Frühsommer, doch der Wind war eiskalt. Die Taue waren morgens hart gefroren.
    Ich lief stundenlang in meiner Kabine auf und ab und starrte auf das endlos weite Meer. Jeden Morgen wurde ich an Deck gebracht, damit ich mir die Beine vertreten konnte. Dann wurde mir aus der Ferne auch ein kurzer Blick auf Maljen gestattet. Der Dunkle stand immer an der Reling, den Blick auf den Horizont gerichtet, als würde er nach etwas Ausschau halten. Sturmhond und seine Mannschaft hielten Abstand.
    Am siebten Tag sah ich an Steuerbord und Backbord je eine Insel aus Schiefergestein. Ich kannte sie noch aus meiner Zeit als Kartografin: Jelka und Wilki, das Messer und die Gabel. Wir fuhren in die sogenannte Knochenrinne ein, einen weiten Streifen schwarzen Wassers. Hier waren unzählige Schiffe an den namenlosen Inseln zerschellt, die plötzlich aus dem Nebel auftauchten und wieder darin verschwanden. Die Knochenrinne war auf den Karten durch die Schädel von Seeleuten, Ungeheuer mit aufgerissenen Mäulern, Nixen mit schneeweißen Haaren und die tintenschwarzen Augen von Seehunden gekennzeichnet. Nur die gewieftesten Jäger der Fjerdan wagten sich hierher und setzten ihr Leben aufs Spiel, um kostbare Pelze und Felle zu erbeuten. Auf welche Beute hatten wir es abgesehen?
    Sturmhond befahl, die Segel zu reffen. Wir fuhren langsam durch den Nebel. Auf dem Schiff herrschte bedrücktes Schweigen. Ich betrachtete die Beiboote der Walfänger, die Gestelle mit Harpunen, jede mit einer Spitze aus Grischa-Stahl. Ihr Zweck lag auf der Hand: Der Dunkle war auf der Suche nach einem weiteren Kräftemehrer. Ich ließ meinen Blick über die Grischa gleiten und fragte mich, wer dazu ausersehen war, dieses »Geschenk« vom Dunklen zu erhalten. Aber ich hatte bereits einen furchtbaren Verdacht.
    Das ist Wahnsinn , dachte ich bei mir. Das kann er unmöglich wagen. Aber dieser Gedanke schenkte mir kaum Trost. Denn er setzte immer alles auf eine Karte.
    Am nächsten Tag befahl mich der Dunkle zu sich.
    »Wer soll ihn bekommen?«, fragte ich, als Iwan mich vor die Reling auf der Steuerbordseite führte.
    Der Dunkle starrte weiter auf die Wellen. Ich erwog, ihn ins Meer zu stoßen. Er war zwar Hunderte von Jahren alt, aber konnte er schwimmen?
    »Ich ahne, was du vorhast. Aber willst du das wirklich tun?«, fragte ich. »Bitte sag mir, dass der Kräftemehrer für ein anderes dummes, leichtgläubiges Mädchen gedacht ist.«
    »Für eine junge Frau, die weniger dickköpfig und egoistisch ist? Der nicht so viel am Leben eines Nichtswürdigen liegt? Ich wäre froh, wenn das so wäre«, sagte er, »glaub mir.«
    Mir wurde übel. »Jeder Grischa darf nur einen

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