Grisham, John
Aktentasche.
"Bei Scully braucht es keiner, weil die Dokumente nicht vertraulich sind.
Ich habe nur eine Kopie gestohlen. Die Kanzlei hat also bisher nichts verloren.
Der Datenbank wird man die Manipulation nicht ansehen."
"Das
FBI wird die Tasche als Beweismittel benötigen."
"Als
Beweismittel gegen wen?"
"Gegen
Bennie Wright."
"Bennie
Wright? Der ist weg, das können Sie mir glauben. Das FBI wird ihn nie finden,
dafür ist er viel zu clever. Bennie Wright wird nicht verhaftet werden. Bennie
Wright wird nie vor Gericht gestellt werden. Bennie Wright sitzt gerade in
einem Flugzeug, wahrscheinlich in einem Privatjet, sortiert seine fünfzehn
Pässe und überlegt, welchen er als Nächstes nehmen soll."
"Seien
Sie sich da nicht so sicher."
"Wieso
nicht? Immerhin hat er uns heute Abend überlistet. Bennie Wright hat Freunde an
der richtigen Stelle, vielleicht nicht hier in New York, sondern in Washington.
Zu viele Leute waren involviert. Das FBI, das Justizministerium, da tratscht
immer jemand. Planungen hier, Genehmigungen da, Besprechungen auf höchster
Ebene, mehr und mehr Geheimdienststellen wissen Bescheid. Das war ein
Fehler."
"Sie
hatten keine Wahl."
"Ich
hatte nicht viele Alternativen. Sieht so aus, als hätte ich die falsche
gewählt."
"Was
ist mit der Kanzlei?"
"Die
kann ich vermutlich auch abschreiben. Was raten Sie mir? Immerhin bezahle ich
Sie, auch wenn es ein Sonderpreis ist." Beide brachten ein mühsames
Lächeln zustande, aber es war gleich wieder verflogen.
Benedict trank einen Schluck Wasser, wischte sich den Mund am Hemdsärmel ab und
beugte sich dichter zu Kyle. Die beiden Wachen waren noch im Raum und standen
in Hörweite. "Sie könnten die Sache verschweigen. Morgen einfach im Büro
erscheinen und so tun, als wäre nichts gewesen. Die Akten sind sicher. Es ist
kein Schaden entstanden. Es war nie Ihre Absicht, Bennie Wright Informationen
auszuhändigen. Sie waren nur gezwungen, irgendetwas herunterzuladen, um seine
Verhaftung zu ermöglichen. Die Verhaftung ist nicht erfolgt. Die Kanzlei ahnt
von alledem nichts. Solange es keine Strafverfolgung gibt, wird sie auch nicht
davon erfahren."
"Aber
der Plan war, Wright auffliegen zu lassen, der Kanzlei gegenüber die Karten auf
den Tisch zu legen und um Gnade zu bitten. So ähnlich wie ein Bankräuber, der
das Geld zurückbringt, sich entschuldigt und hofft, dass die Sache damit
gegessen ist. Natürlich ein bisschen komplexer."
"Wollen
Sie bei der Kanzlei bleiben, Kyle"
"Mein
Abschied von Scully & Pershing war beschlossene Sache, als ich mich an Sie
gewandt habe."
"Vielleicht
gibt es eine Möglichkeit, Ihren Job zu retten."
"Ich
habe die Stelle angenommen, weil mich Bennie Wright in der Hand hatte. Die
Bedrohung ist mittlerweile eine andere, aber zumindest kann er mich nicht mehr
erpressen. Das Video könnte peinlich werden, mehr nicht. Ich will hier
weg."
Im Wohnzimmer quäkte ein Funkgerät, was die Beamten aus ihrer Erstarrung riss.
Es verstummte wieder, ohne weitere Neuigkeiten gebracht zu haben.
Schließlich ließ Kyle die Aktentasche los und streckte die Beine aus. Er sah
seinen Anwalt an. "Sie sind ein wichtiger Partner in einer großen Kanzlei.
Was würden Sie mit einem Mitarbeiter tun, der sich so etwas geleistet
hat?"
"Ihn
sofort feuern."
"Genau.
Fristlos und ohne viele Worte. Wie soll mir die Kanzlei je wieder vertrauen? Es
gibt Tausende von Uniabsolventen, die darauf brennen, meine Stelle einzunehmen.
Und da wäre noch etwas, was die Kanzlei wissen muss." Kyle warf einen
Blick ins Wohnzimmer, wo seine Leibwächter mittlerweile fernsahen.
"Ich
bin nicht der einzige Spion. Wright war zu gut unterrichtet. Es gibt noch einen
Spitzel, der ihn mit Informationen versorgt. Das muss die Kanzlei
erfahren."
An der Tür wurde es unruhig, und die beiden Wachen schalteten den Fernseher
eilig auf stumm und standen stramm. Kyle und Roy Benedict erhoben sich, als
Bullington mit einer kleinen, bedeutend wirkenden Gruppe hereinfegte, deren
Mittelpunkt ein etwa sechzigjähriger Mann mit kurzem grauem Haar im eleganten
Anzug war, der aussah, als hätte er sein Umfeld völlig unter Kontrolle.
Bullington stellte ihn als Mario Delano vor, Leitender Direktor des New Yorker
FBI-Büros.
Delano wandte sich sowohl an Kyle als auch an Roy Benedict. "Meine Herren,
Bennie Wright hat offenkundig das Gebäude verlassen, was uns vor ernsthafte
Probleme stellt. Ich habe keine Ahnung, wo die undichte Stelle ist, aber ich
kann Ihnen
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