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Grisham, John

Grisham, John

Titel: Grisham, John Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Anw
Vom Netzwerk:
John
Grisham 
    DER
ANWALT
    Roman
    Aus
dem Amerikanischen von
    Dr.
Bernhard Liesen, Kristiana Dorn - Ruhl, Bea Reiter und Imke Walsh-Araya
    HEYNE
     
    Für
    Steve
Rubin, Suzanne Herz, lohn Pitts, Alison Rieh, Rebeeea Holland, lohn Fontana und
die anderen Mitarbeiter des Verlages Doubleday
     
    Kapitel
1
          
Die Statuten der Jugendliga von New Haven sahen vor, dass jeder
Basketballspieler bei jedem Spiel mindestens zehn Minuten zum Einsatz kommen
sollte. Ausnahmen gab es nur, wenn Spieler ihren Coach verärgerten, indem sie
das Training schwänzten oder andere Regeln missachteten. In solchen Fällen
verfasste der Coach vor dem Spiel einen Bericht, um den Scorekeeper zu
informieren, dass der Spieler soundso wegen einer Regelverletzung nicht lange
spielen werde - wenn überhaupt. Die Organisatoren der Jugendliga sahen so etwas
nicht gern. Ihnen ging es mehr um die sportliche Betätigung an sich als um den
Wettkampfaspekt.
     
Vier Minuten vor dem Ende des Spiels ließ Coach Kyle McAvoy den Blick über die
Jungs auf der Bank schweifen. Dann nickte er einem mürrischen, schmollenden
Jungen namens Marquis zu. "Willst du spielen?" Ohne zu antworten,
ging Marquis zum Scorekeeper- Tisch und wartete darauf, dass das Spiel durch
einen Pfiff unterbrochen wurde. Er hatte sich einiges zuschulden kommen lassen
- Training schwänzen, Schule schwänzen, schlechte Noten, Verlust des Trikots,
unflätige Ausdrücke. Eigentlich hatte er nach zehn Wochen und fünfzehn Spielen
gegen jede Regel verstoßen, die der Trainer seinen Spielern auferlegte. Da
Coach Kyle längst klar war, dass sein kleiner Star auch jede neue Vorschrift
verletzen würde, hatte er der Versuchung widerstanden, weitere Regeln
aufzustellen, und seine Liste sogar zusammengestrichen. Es funktionierte nicht.
Der Versuch, die Jugendlichen aus den heruntergekommenen Innenstadtvierteln mit
Samthandschuhen anzufassen, hatte dazu geführt, dass die Red Knights in der
Winterspielzeit der Liga für bis zu Zwölfjährige auf dem letzten Tabellenplatz
standen.
      
Marquis war erst elf, aber zweifellos der beste Spieler auf dem Platz. Er
wollte lieber auf den Korb werfen und punkten, statt zu passen und zu
verteidigen. Kaum war er zwei Minuten im Einsatz, da hatte er schon etliche,
deutlich größere Abwehrspieler ausgetrickst und sechs Punkte erzielt. Sein
Durchschnitt lag bei vierzehn, und hätte man ihn länger als die Hälfte der
Matchdauer spielen lassen, wäre er vermutlich auf dreißig gekommen. Er selbst
war der Ansicht, in seinem Fall sei Training überflüssig.
      
Doch trotz dieser One-Man-Show hatten die Red Knights keine Chance. Kyle McAvoy
saß schweigend auf der Bank, sah seinem Team zu und wartete darauf, dass es
endlich überstanden war. Noch ein Spiel, dann war die Saison vorbei, seine
letzte als Basketballcoach. In zwei Jahren hatte er ein Dutzend Spiele gewonnen
und zwei Dutzend verloren, und er fragte sich, wie jemand, der bei klarem
Verstand war, freiwillig den Job eines Trainers übernehmen konnte, egal in
welcher Spielklasse. Du tust es für die Jungs, hatte er sich tausendmal gesagt.
Für Jungs, deren Väter verschwunden waren, die kein richtiges Zuhause hatten,
ein positives männliches Leitbild brauchten.
      
Er glaubte immer noch daran, doch nach zwei Jahren hatte er die Nase voll. Er
hatte den Babysitter gespielt, mit Eltern gestritten, falls mal welche
aufgetaucht waren, sich mit Trainern angelegt, die gemauschelt hatten, und
versucht, sich nicht über jugendliche Schiedsrichter zu ärgern, die einen Block
nicht von einem Foul unterscheiden konnten. Jetzt war es genug mit dem sozialen
Engagement. Zumindest in dieser Stadt.
      
Er verfolgte das Spiel und wartete auf das Ende. Gelegentlich brüllte er seine
Spieler an, wie es von einem Trainer erwartet wurde. Hin und wieder blickte er
sich in der fast leeren Sporthalle um, einem betagten Backsteinbau in der
Innenstadt von New Haven, wo schon seit fünfzig Jahren Spiele der Jugendliga
stattfanden. Auf den Tribünen saßen nur wenige Eltern, die alle darauf
warteten, dass es endlich vorbei war. Marquis traf erneut, niemand
applaudierte. Noch zwei Minuten, die Red Knights lagen zwölf Punkte zurück.
     
Am hinteren Ende des Platzes, direkt unter der altertümlichen Anzeigetafel,
trat ein Mann in die Halle und lehnte sich an eine verschiebbare Tribüne. Er
fiel Kyle auf, weil er weiß war - in beiden Mannschaften gab es keine weißen
Spieler. Auch seine Kleidung war ungewöhnlich.

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