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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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bauen ja wohl an Ihrem Schloß? Der Neubau wird hoffentlich in großartigem Stile ausgeführt?«
    »So großartig es unsre, wie Sie wissen, gnädige Tante, sehr beschränkten Verhältnisse erlauben,« erwiderte Jener, nicht ohne Verlegenheit.
    »O versteht sich! Ihre Verhältnisse sind so bescheiden!« rief sie lächelnd, obschon dabei leicht errötend. »Porphyrsäulen am Portiko, wie ich hoffe. – Und Ihr Marstall verlangt ja eine beträchtliche Renovirung. Der weitere Ausbau – eine Tasse Thee, liebe Maud? Danke.« Diese, welche selbst als Wirthin ein Thee-Tablet umherreichte, sah, wie der Graf sich auf die Lippen biß und die Stirne runzelte. Und der schreckliche Verdacht stieg in ihr auf, der mögliche Freier möge gar wenig Geld besitzen. Demgemäß eine Art Glücksjäger, der wohl auf Erbinnen spekulirte. Durch einige schlaue Fragen, die sie that und die er arglos beantwortete, schien ihr dieser Verdacht Gewißheit zu werden. Ihr kam er überhaupt zu unbedeutend vor; sie beschloß daher, sich selbst möglichst aus dem Spiele zu halten. Mochte Alice thun, was sie wollte.
    Nachher versuchte Xaver das edle Lawn-Tennis zu lernen, wobei die unreifen jungen Kälber – die Engländer werden erst mit 30 Jahren Männer – ihn gutmüthig unterwiesen, mit großherzigem Mitleid dem Continentalen seine Unerfahrenheit zu Gute haltend.
    Die Damen umringten den »
distinguished foreigner
« und sein Radebrechen gefiel ihnen so wohl, daß er der Hahn im Korbe schien und einen freundlichen Eindruck zurückließ.
    Lady Dorrington beglückwünschte ihn ernsthaft zu seinem »Succeß«, wie sie es nannte, und ließ verschiedene Ziffern über die etwaige Mitgift der Egremonts fallen.
    Xaver schwieg. Der alte Egremont mißfiel ihm sehr. Der leidet ja an Größenwahn ! dachte er.
     

III.
     
    Auch der Ball bei der Herzogin mußte überstanden werden. Die Gesellschaftsstunde nahte. Wappenkronengezierte Karossen, vollgepackt mit Fracks und Ballroben, rollten heran. Ihre Räder wurden übertönt vom Donnern der Messingklopfer, wenn die gallonirten gepuderten Footmen vom Hinterbrett absprangen, indem sie ihre weißen Seidenstrümpfe, sammtenen Kniehosen und Schnallenschuhe vor dem plebejischen Straßenschmutze sorglich hüteten. Der Portier öffnete unablässig, und der Fremde erstaunte baß, auf den Teppichtreppen die Gäste lagern zu sehn nach guter Londoner Sitte, weil die engen Räume von der ungeheuren Zahl der Geladenen bald überfüllt. Eine hektische Röte schien auf jedem Gesicht zu fiebern, die Luft scheint fieberhaft erhitzt. London gleicht einer Schwindsüchtigen, die sich zu Tode tanzt. Die Ball-Menge, dichtineinandergedrückt verschwamm in der Entfernung zu einer einzigen schwarzflimmerigen Masse, wie eine dicke Häufung von Steinkohlen.
    Nachdem Krastinik die Herzogin begrüßt, welche am Eingang des Saales hundertmal gegen jeden Eintretenden den Fächer schwenkte und ein verbindliches Lächeln austauschte, fühlte er sich in den großen Drawing Room geschoben, wo zwei tanzende Paare im denkbar schleppendsten Tempo sich drehten und beide Wände entlang eine dichte Masse von Herrn und Damen sich staute. Das Ganze machte einen völlig physiognomielosen Eindruck. Mechanisch schien man Kravatte, Lorgnon, Kopfputz und Schleppe zurechtzurücken, die Conversation stockte gänzlich und nur ein halblautes Summen schwirrte durch den Saal.
    Krastinik sah sich verzweifelt in seiner Nähe um. Da ihm das Schweigen unerträglich wurde, wandte er sich an einen zunächst Stehenden und stellte sich mit einer Verbeugung vor: »
My name is Count Krastinik.
« Der Insulaner gefror förmlich zur Salzsäule. Anfangs schien er schlechterdings nicht zu begreifen, was dieser Mensch von ihm wolle. Dann suchte er seinen steifsten Bückling aus dem Lexikon der Anstandsformeln hervor und reckte, ohne weiter ein Wort zu verschwenden, seinen Giraffenhals nach entgegengesetzter Richtung.
    Krastinik stutzte etwas, faßte sich jedoch und versuchte die gleiche Selbstvorstellung bei einem nächsten. Dieser starrte ihn feierlich an, räusperte sich verlegen und murmelte: »
Oh indeed! Delighted. to be sure.
« Daß er nun selbst verpflichtet sei, seinen Namen zu nennen, schien ihm ganz unfaßlich.
    Mit dem Mut der Verzweiflung, schoß der arglose Fremdling endlich auf einen Herrn in indischer Uniform, von dessen bronzirtem Teint sein strohgelber Schnurrbart pikant abstach, los. Der Herr hatte nach Pariser Sitte die Haare vorn in die Stirn geklebt und

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