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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sie erführe, wie ich wegelagere. Unsereins stürzt sich eben auf jeden Leser, der Herzensgüte genug besitzt, um gereimte Ungereimtheit zu ertragen.
    Aber ich sehe, daß meine Weitschweifigkeit sich sogar auf diesen Brief ausdehnt. So gestatten Sie mir denn die Versicherung, daß mein schlechtes Gedicht wenigstens den einen Vorzug besitzt, ebenso aufrichtig und wahr zu sein, als die Verehrung, mit der ich bin
    Ihr ergebener Diener
    Graf Xaver Krastinik.«
     
    Das beigelegte Impromptu lautete:
     
    Circe hat ein Thier einst verwandelt
    Männer, ihre Liebesglut zu kühlen.
    Minder grausam zwar hast du gehandelt,
    Lässest Thiere menschlich für Dich fühlen.
    Doch wo Thiere selber lieben müssen,
    Laß uns, Grausame, ihr Glück nicht schauen.
    Daß es Thieren nur erlaubt zu küssen,
    Kann kein neidisch? Mannesherz erbauen.
     
    Es war sogar eine Uebersetzung in denkbar unbeholfenstem Englisch zugefügt:
     
    Circe changed men, who dared speak of love,
    To animals once with her magic staff.
    Less cruel indeed your witcheries prove,
    When your beauty's enchanting cup we quaff.
     
    u.s.w.
     
    »Geehrter Herr,
    Ich bin morgen Mittag
at home.
Einige Freunde nehmen bei mir ihr Lunch. Vielleicht werden wir den Vorzug Ihrer Gegenwart haben? Sie sind freundlichst geladen.
    Ihre ergebene
    Ellinor O'Donnogan.
    P.S.
Dank für die hübschen Verse.«
     
    Das Lunch bei der Tochter Grün-Erins gewann einen etwas abenteuerlichen Anstrich durch die stark gewürzte Mischung der Gesellschafts-Pastete. Da war eine fettige süddeutsche Sängerin, die sich einen italienischen Namen zugelegt hatte.
    Da war ein kleiner Franzose mit endlosem Henri-Quatre, der trotz eines halbjährigen Aufenthalts in London nur die Phrase »
Fifteen years ago!
« gelernt hatte und, als der Name »Bulwer« fiel, sofort von »Boulevard« zu plappern anfing.
    Da war ein jugendlicher Plantagenbesitzer aus Cuba, der jedem Unglücklichen, mit dem er nur drei Worte gewechselt, die echtesten der echten Havannas meuchlings auf die Brust setzte – eine Magnaten-Großmuth, welche der davon Betroffene meist verfluchte, sobald er drei Züge des kostbaren Gewächses gekostet. Doch Don Rosetta's Etui ward niemals leer und füllte sich wie eine Cisterne aus unbekannten Tiefen.
    Da war ein deutscher Maler, nicht ohne ein gewisses Sedan-Lächeln, das den Reserveoffizier verrieth, welcher nichtsdestoweniger aus seiner tiefen Verachtung gegen alles Deutsche kein Hehl machte.
    Da war der unvermeidliche junge Musiker jüdisch-slavisch-deutscher Herkunft, wie er blaßwangig und schwarzlockig in den Londoner Drawing-Rooms schwarmgeistert.
    »Er ist ein Bohemian,« stellte ihn die patronisirende Wirthin mit zweideutigem Wortspiel dem Grafen vor. (»Bohemian« bedeutet ja englisch sowohl »Böhme« als »Bohémien« in der Pariser Bedeutung des Wortes.) »Und Sie, Graf, Sie sind ja auch ein Böhme , nicht? Das sind wir ja drei Böhmen! Denn ich, ich bin eine richtige Bohemienne, ich liebe die Freiheit, die Bohême!«
    Dabei rümpfte sie das aristokratische Adlernäschen und äugelte mit unbeschreiblichem Dünkel durch ihr Lorgnon, indem sie mit den drei Gardeoffizieren tändelte, die außer einem dicken Parlamentsmitglied den Rest der Gesellschaft bildeten.
    Das Lunch verlief recht lebhaft. Die Schildkrötsuppe mochte selbst einem indischen Nabob schmecken und das Salmon-Steak einem Lordmajor der guten Stadt London. Auch für die Wittwe Cliquot schien die lebenslustige Wittwe von verständnißvoller Sympathie beseelt. Der Champagner schmeckte Krastinik besser, als im »Hotel Hungaria« beim Pester Wettrennen – – weiter gingen seine vergleichenden Erinnerungen ja nicht, da ihm Paris noch ein Buch mit sieben Siegeln.
    Gegen ihn war die schöne Wirthin ziemlich kühl und übte sich nur kräftig in allgemeinem »Flirting«, in welcher edeln Wissenschaft sie Meisterin vom Stuhl zu sein schien. Es war, als wolle sie ihm andeuten, daß sie seine etwaigen Intentionen wohl verstehe, ihm aber keine Avancen machen wolle. Sie hübsch, vermögend, Wittwe, von guter Familie – er, ein continentaler Graf, aber vermuthlich wenig bemittelt, wenigstens nach englischen Begriffen. So leicht ging es mit der Brautschau nicht. Man mußte sich vorsehn.
    Nicht sonderlich befriedigt, küßte Krastinik zum Abschied die Hand, was auf sie als nicht-englisch zwar etwas befremdlich, aber nicht unangenehm wirkte – (diese continentalen Sitten bewahren noch so etwas Romantisches!) – erhielt aber die

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