Größenwahn
Valders und Hallingdal liefert, und auf den ungeschlachten Querbänken ein Paar alte Bauern und Fuhrleute hockten, saß man freilich wohlgeborgen. Der eiserne Ofen pustete und glühte. Was aber noch an Wärme abging, das ersetzte der Aquavit aus Drammen und der Drontheimer Branntwein, sowie das starke Oel (Bier) aus der Carl-Johanns-Gade in Christiania, wie die Etikette besagte. Dazu gab's süßen rothen Käse und armseliges Flachbrot, auf das man Fett herabträufeln ließ, indem man Speckscheiben am Spieß übers Herdfeuer drehte.
Ja, wenn der Engelske, der da wohl ankam, sich dachte, hier könne er sich behaglich
on the fireside
am Caminfeuer wärmen, indeß dort über den Gitterstäben ein Gericht Eggs- and -Bacon, Schinken mit Spiegeleier, und knusprige Toaste schmoren, – da hatte er die Rechnung ohne den Wirth gemacht, der breitbeinig und mit langherabwallendem Weißhaar rauchend am Thürpfosten lehnte.
Dieser hielt aus strenge Zucht den hergelaufenen Fremden gegenüber und verdammte ihre Ueppigkeit. Er gab ihnen daher karge und knappe Fütterung, auch Viehställe und Heuschober mit rührigen springenden Insassen als Obdach.
Zur Entschädigung nahm er aber auch dafür eine ungeheure Zeche und schmetterte jede Aufsätzigkeit mit der naturwüchsigen Logik nieder: »Ihr seid reich, wir sind arm. Wir haben Euch ja nicht gerufen. Wenn Ihr also kommt und uns nöthig habt, so gebt uns einen Theil Eures Reichthums mit.«
O, er war eilt freier, unabhängiger Mann, ein Verächter aller Standesunterschiede, – weswegen er auch den Verkehr mit andern Dorfmagnaten möglichst vermied. Denn sie waren ihm ja nicht ebenbürtig, der direkt von Harald Schönhaar abstammte, zu dessen Ehren er auch sein Haar nicht schor.
Wie viele Binder muß doch jener außerordentliche König gehabt haben, sintemal ganz Gudbrandsdalen von beglaubigten Abkömmlingen desselben wimmelt! Aber Ole Erikson's Frau (die soeben beim Durchwaten der Entenpfütze ihre dicken Waden sehen ließ) bewahrte eine Silberschüssel, die der liebebedürftige Harald einer steingrauen Urmuhme höchstselbst zum Andenken verliehen hatte. Also! Mit tiefer Geringschätzung sah der würdige »Republikaner« auf die neugebackene schwedische Königsfamilie, herab.
So vermißte man denn auch das Portrait des Dichters Oskar in der Wirthsstube. Statt dessen gab's da zahlreiche Reclame-Annoncen pennsylvanischer Firmen, betreffs neuer Säe- oder Mähe-Maschinen. Auch ein Plakat mit einem einladenden Auswandererschiffe, Linie Stavanger-Boston, war draußen an die Mauer geklebt; es hatte durch die Feuchtigkeit ordentlich ein Leck bekommen.
Nichts rührte sich, als die Schiffbrüchigen da draußen landeten. Die Gäste drinnen stießen mit den Humpen an und brüllten »Skol!«, als wollten sie die Windsbraut übertönen.
Der Wirth jedoch schmauchte ruhig fort, ohne Wort und Gruß, indem er sich die triefenden Jammergestalten mit jener gemüthvollen Freude betrachtete, welche ein guter Mensch im Hafen beim Anblick der stürmischen See empfindet, wo vielleicht Viele stranden.
Auch als Eugen Wolffert ihm direkt mit einem
»Good evening!«
auf den Leib rückte, brummte er nur ein kühles
»'Evening, sir!«
zurück. Der Treffliche, ertheilte nämlich den Gästen häufig zarte Winke, daß man in Norwegen seltsamerweise Norwegisch rede. Und so standen sie beide in der engen Thür, dicht vor sich die Alpen, die das Thälchen zusammenklemmten und bis zum Rand der Chaussee fast senkrecht anstiegen, rings der strömende Regen. Standen und schwiegen sich an, zwei einsame Menschen verschiedener Zunge in der ernsten Felsöde. Der Wirth paffte in die Luft, kühl bis aus Herz hinan. Erst als die undeutliche Masse im Hintergrund sich von einem umwickelnden Plaid losgehülst hatte und zwischen die Beiden trat mit fröhlichem Lachen der blinkenden Zähne und kirschroth feingeschwungenen Lippen und mit schelmischem Leuchten der graugrünlichen Augen, – da klopfte der Bauer bedächtig die Pfeife aus. Das war doch ein gar zu schmuckes Weib!
Jetzt verstand er auch gebrochen Englisch und leuchtete den Herrschaften, die sehr müde waren und unterwegs von Conserven ihr Abendbrot verzehrt hatten, die altväterliche Fremdenstube hinauf. Sie seien doch – ja, hm – Mann und Frau? »Ja freilich!« versicherte Wolffert. Kathi, die den Sinn der Frage vom Gesicht ablas, wurde sehr roth und fragte Wolffert halbkichernd, was Jener denn gefragt habe. Als einzige Antwort gab ihr der Amoroso einen Kuß. –
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