Größenwahn
das sausende Webstuhlrad der Jötuninnen, dran Silberfädchen auf und nieder schnurren, wälzten sich qualmend dahin wie eine Wolke von Demanten, mit Perlen untermischt. Aber überall glitt über das steinerne Schwungrad der Abhänge in unaufhörlicher Drehung, wie ein buntes Seidenband, oder wölbte sich zwischen den Strebepfeilern des Felskessels – ein Bild der Versöhnung über dein Strudel der Leidenschaft.
Stolz reckte sich jeder Halm, den Nachtthau von sich schüttelnd. Ist doch jeder Morgen nach dem Grabe der Nacht eine Auferstehung der Welt! Wie frisch und leicht und klar grüßte die Luft von den »hohen Fjelden« herüber! Wie ein Schwan mit sterbefrohem Gesang schwimmt die Seele, mit Vögeln und Winden Grüße tauschend, durch der Alpenlüfte Wellen. Und in freudig hinschmelzendem Schwanenlied verblutet der alte Adam, das Alltagswesen des Menschen, die alte verbitterte Kälte. Ein Sturzfall voll Urmelodien scheint die Berge zu durchfluten, der Schöpfung ureigensten Tempel, durchweihraucht vom Tannenarom. Und die Morgenmesse, die seine himmelhohen Hallen durchbraust – vernimmt ihn dein Ohr? Die stürzende Tanne, der hüpfende Elv, sie Alle singen nur das eine, das hohe Lied:
Kraft und Freiheit!
Eins und Alles in unablässig rastloser Bewegung verbunden zu einem Ziel! Ewige Zeugung, ewiges Vorwärtsdrangen! Tod der Ruhe und Leben dem frei entfesselten Kampf!
Ja, ihr Jötuns, die im Leid versteinert, Felsriesen, die ihr ewig seid – stumm seid ihr, kalt und todt. Doch der Geist, der kühn das All umfaßt, hebt den Menschen aus der zwerghaften Noth seines körperlichen Daseins empör: er lebt, er denkt, er handelt, er ist der Gott der Natur. Möge Jötunheim in Trümmer sinken, des Menschen innere Welt erschafft sich immer neu und die Jakobsleiter der Hoffnung senkt sich gerade zu dem hernieder, der aus einem Steine schläft.
Durch dies Felsenchaos schwebt der Odem des Weltgeistes in doppelt belebender Kraft.
O Land der Freiheit, wo das Ich der modernen Kultur in ihrer freiesten Thätigkeit und der Natur in ihrer nacktesten Größe gegenübertritt – du Braut des Meeres, des atlantischen, das auch das Winland deiner Wickinger, die Neue Welt der freien Arbeit gebar – du Panzerst das Herz mit eisigem Stolz. Nicht mehr schaudert es vor dem Schwungrad menschlichen Treibens, freudig mitbewußt des unablässigen Weltenwirbels im Kreis der Schöpfung. Und für Liebe, Glaube, Hoffnung, schenkst du Arbeitslust und Lebensmuth.
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Heidi, schon wieder traben, traben in die junge Sonne hinein! O namenloses Gefühl ungebundener Freiheit, so hinzutraben thalauf thalab durch Felder und Forst, in immer tieferer Einsamkeit!
Wie das Rößlein wiehernd die Mähne schüttelt und wie Kathi jodelt vor eitel Pläsir am Gefühl des Lebens! Abgewaschen, weggepustet aller Staub und Schmutz des Weltgetriebes in dieser Urnatur!
Am Wege schritt ein Mädel im Nationalkostüm vorüber: mit rothem, viereckig ausgeschnittenen Mieder, weißem Unterkleid, geblümtem Hemd, geflochtenen Zöpfen, metallenem Brustschmuck und hoher Sammetmütze. In ihren großen blauen Augen liegt eine Welt sehnsüchtiger Fragen.
Eugen blickte sich nach Kathi um. Ihrer Lippen Erdbeerblüthe schien aus dem Kranz der Wälder zu duften, ihrer Augen helle Wunder den Glanz eitler Perle zu bergen. Liebe mag der Fischer heißen, dem dieser holde Fund geglückt, der die Perle gehoben.
Ach, wenn man nur Zeit und Geld hätte, hier ewig umherzustreifen! Wie, Zeit und Geld, bedarf es dessen? Könnte man doch Alles, Alles abthun, was fesselt an den Pferch der Gesellschaft, und hier als schlichter Tagelöhner sein Brot verdienen, hinter dem Pfluge herschreiten über die dampfende Wiese! Welch ein elendes Leben führen die Städter, die Culturfexen, die Schneidergesellen der Bildung! Wozu das Alles, statt sich auszusingen in die freie Luft, unbekümmert ob die Welt es höre! Gesund sein und leben, leben und lieben, – das sind die höchsten Güter, wenn man sie zu genießen weiß – Gold, Macht und Ruhm schmälern und verbittern nur das stille Genügen.
Diese stählende Hochlandluft, die alles Unreine bei Seite fegte, das frische Erdbeeraroma, das aus allen Moosgründen und Hecken entgegenduftete, wirkte auf Eugen Wolffert's Nerven so reinigend und männlichend, daß in ihm der Wunsch nach einer entschlußreichen That, etwas Großem und
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