Größenwahn
entpuppte sich die hinter dem Werke stehende Persönlichkeit als begnadete Schernatur, die zu größten Dingen bestimmt.
Inmitten der kaleidoskopisch schillernden Mosaikgemälde und Feerie-Wandeldekorationen und nachgepfiffenen Epigonentriller der andern Litteraturfabrikate fühlt man ja wie, die Jungfrau, welche ihrer Mutter über die Bälle klagt: »Ach, es ist doch immer dasselbe !« Der gewisse »Eine« war ihr eben noch nicht im Ballsaal begegnet. Aber hier bei Leonhart neben höchster männlicher Reife und fast schon angegreister Lebenserfahrung eine gewisse unverbrauchte Jugendlichkeit, wie die des tölpelhaften jungen Siegfried, der auszieht, um Krimhild und die Welt zu erobern. Ueberall hatte man hier den ganzen Mann als kompakte Thaterscheinung vor Augen in der tiefinnerlichen Untheilbarkeit seiner elementaren Persönlichkeit, deren Naturgewalt natürlich die diplomatisch kleinlichen Geistesschmarotzer der modernen Hypercultur nicht zu fassen vermochten. Wie man in der Dienst-Correspondenz eines Cromwell oder Friedrich (»
Aimez donc les détails!
« rieth der Letztere) die ungeheure Arbeitskraft anstaunt, welche jeden Knopf und Stiefel ihrer Schwadronen im Auge behielt, – so erkannte man hier die sittliche Charakterstärke, die innere Wahrhaftigkeit, kurz die Klaue des Löwen breit und wuchtig im kleinsten Worte abgeprägt.
Man sah seine weltbeherrschende Phantasie die Erde umkreisen von Pol zu Pol. Aus den bläulichen Ringeln seiner Kaffeekanne flatterten ihm braune Rosse auf, Beduinen in braunem Burnus. Sieh da, die weißen Mäntel, wie Strauße in gedrängter Herde ihre Schwingen blähen! Der rothe Wüstensand klatscht zum Sattel empor! Schaumflocken bedecken Bug und Nacken der Rosse, so daß sie getigerten Schecken gleichen oder fürstlichen Turnierrossen mit einem Brustlatz von Hermelin! Und auf ihrer Spur schnauft das Hyänenrudel, in wilden Sätzen die Fährte mit den Pfoten durchtastend – denn wo die Wüstensöhne jagen, da fällt ein Opfer zum Schmaus der Hyänen und Geier, die krächzend den Trauerchor um die Gefallenen hüpfen!
Aus dem Lande der Sonne schweifte des Dichters Geist zum Norden, aus der Wüste zum Meer.
Die bläulich zackigen Eisberge der Eskimos, die den Thran in Humpen schlürfen, umschiffte er wie ein Viking. Wie der Pfeil vom Fischbeinbogen, schwirrte sein Schiff dahin durch die tiefaufrauschenden Wellen, ängstlich ächzte, sein Segel vor der kreischenden Brandung, über welcher der zackige Blitzstrahl den Donner heroldete. Und zum Klang gebrochner Helme sang die Seeschlacht wild und wilder, und der Tag sah ihn vorderst fechten. Doch in mondheller Nacht entquollen seiner Harfe die Thränen sehnender Leder.
Wohl drangen die Schreie aus des Dichters eigenem Herzen, man vernahm mit Schauder diese gewaltige Stimme, – wie der faustische Held, am Meere entlangwandelnd, aus Muscheln die ferne Klage des fliegenden Holländers vernimmt, der im Maëlstrom wirbelnd dem tauben Himmel droht, bis er fadentief versinkt zu Seegras und Korallen.
Der Brandung Bucht, die hohle,
Einsam der Wind umpfeift.
Träg von der Bergessohle
Der Nebel sich niederschweift.
Die Wassergeister schweben
Höhnend zu mir empor:
Zu Schaum zerann Dein Leben,
Du bist und bleibst ein Thor.
Es schwimmt das falsche Mondenlicht
Lockend auf kühlem Grunde.
Der Dampfer durch die Wogen bricht,
Sein Licht erhellt die Runde.
Und durch mein Herz, das dunkel kreist,
Mit grellen Feuerstrahlen
Das Schicksal seine Furche reißt.
Leuchte mir, Gott der Qualen!
Ihr Heuchler, Schurken, Memmen, Gecken, Narren,
Du weltliches Gesindel um mich her,
Magst ein Jahrhundert auf die Stunde harren,
Die heut durchwettert meiner Seele Meer!
Ich höre Dich, mein Gott, im Wogenrauschen:
»Laß Menschen Menschen sein! Ich bin Dir gut.
Auf meine Donnerstimme sollst Du lauschen
Und vorwärts branden, Meer, in heiliger Wuth!
Schwemm sie hinweg, die Deinen Pfad Dir sperren!
Du bangst, weil fahler Neid die Messer wetzt?
Furchtlos voran! Ich mach' Dich doch zum Herren
Und trete nieder, was sich widersetzt!
Was half Dir Deine königliche Güte,
Mit Dreistigkeit von jedem Wicht belohnt?
Laß nur Verachtung reifen im Gemüthe,
Den Haß, der keine Nichtigkeit verschont!
Wo Du vertrautest, wurdest Du verrathen,
Und wo Du Edles wähntest, war's ein Traum.
Für ihre schamlos schnöden Missethaten
Verschlinge sie in Deiner Brandung Schaum!
Schmied' allen Haß in einen Blitz
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