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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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zusammen
    Und brülle nieder sie mit Deinem Fluch!
    Brenn' sie zu Spreu in Deines Hohnes Flammen!«
    Sieh her, Jehova, kennst Du dieses Buch?
     
    Wäre dies Buch, das in den Annalen der Litteratur seines Gleichen suchte, bei Lebzeiten Leonharts erschienen, so hätte es seinen Untergang beschleunigt oder direkt herbeigeführt. Thörichte Schwätzer hätten sich an das muthmaßlich Persönliche geheftet, ja vor allem liebevoll nach den angeblichen Modellen der Figuren geforscht und ein Bouquet von allerlei Persönlichkeiten zusammengestellt, um etwaige Beleidigungsklagen zu formuliren. Man muß den Leuten stets ihr Vergnügen gönnen. Niemand hätte die Großartigkeit des Typischen in all diesen scheinbar photographirten Einzelheiten erkannt, Niemand begriffen, daß ein so hoch über den Dingen und Menschen stehender Geist das Recht in sich selber trägt, seine eigene Welt nach seinem künstlerischen Willen zu gestalten . In der trostlosen Armseligkeit jener nüchternen Prosa, die nur mit den Rechenpfennigen der Alltagsmoral handelt, wäre Niemandem auch nur in den Sinn gekommen, die tiefe erhabene Gerechtigkeit dieser Heldenseele zu verstehen. Wer hätte gewürdigt, daß man es hier mit einer Dichtung zu thun habe, welche gänzlich außerhalb aller gewöhnlichen Alltagsbegriffe von Menschen und Dingen stand! Dies war der Realismus einer Wahrheit, hoch über der handgreiflichen Wahrheit der beweisbaren Realität. Allein, mit dem adlermäßigen Sonnenflug dieses byronischen Geistes verband sich hier eine ätzende Satire, deren Bosheit den wahnsinnigen Gallenergüssen Swifts ähnelte. Die juvenalische Ader Leonharts blutete sich aus, bis sein Geist an einer Art Auszehrung von Menschenverachtung, wie an einem Blutverlust jeder Lebenslust, zu versiegen schien.
    Welch ein namenlos unglückliches Leben öffnete sich in diesen Blättern, die von Herzblut zu triefen und sich wie klaffende Wunden zu öffnen schienen! Unseliger Mensch! Ihm war das Leben ein graues ödes Meer, über dem nur das Wetterleuchten seines Grimms emporzuckte. Ueberall unterbrach ein grelles Auflachen das methodische Hämmern dieser zermalmenden zerhackenden Maschine eines rastlosen Denkens. Die »
saeva indignatio
«, welche Swifts Herz nach dessen Ausspruch zerfleischte, schmeckte man auch hier. Schonungslos auch gegen sich selbst, zerpflückte der Dichter unerbittlich seine eigenen Gefühle. Ein unerbittlicher Wahrheitsdrang, ein verzweifeltes Drauflosstürmen gegen jede conventionelle Lüge, raste sich hier berserkerhaft aus.
    Rücksichtslos waren die Gesetze des animialischen Lebens betont, die Naturgeschichte des Menschenviehs. Es regnete Ohrfeigen und Nasenstüber. Indem er die bübischen Begierden der Sinnesmenschen entblößte, ekelte sich dieser Faust-Mephisto und hatte doch auch »seine Freude dran«.
    Das Ganze bildete einen einzigen Aphorismus, ein riesenhaftes Monodrama, einen von innerer Handlung unablässig bewegten Monolog. Diesem tragischen Humoristen zerflatterte das Stoffliche oft zwischen den Fingern und löste sich in psychologische Tüftelei auf. Die geringfügigsten Ereignisse spann der Reflexionspoet mit keckem Sichgehenlassen zu wichtigen Abhandlungen und schlachtete das Unmerkliche als Stoff unendlicher Betrachtungen aus. So ging seine Laune ihren eigenen störrigen Maulesel-Trab, immer drauflos durch Blumen, Gemüsegärten, Disteln und Nesseln. Sie war nicht wählerisch. Duften die Rosen, so schlürft sie das Arom ein, und duftet der Mist, so findet sie darin einen eigenartigen Haut-Goût.
    Die Leichtigkeit in Führung der psychologischen Entwickelung, die sichere feste Hand in Urbarmachung des unbegrenzten gedanklichen Gebiets wurde unterstützt durch den genialen Blick für Rassenmerkmale, die fruchtbare kosmopolitische Bildung des Denkers. Ueberall erhoben sich reine Formgedanken in lichtem plastischem Marmor – statt schönheitsfroher Harmonie vernahm man freilich mystische Orgelklänge einer verschnörkelten Symbolik.
    Doch schmolz sich das kalt Abstrakte überall vor dieser belebenden Schöpferwärme in reale Gestalten um, welche sich nur indirekt, indem sich das Begriffliche verdichtete, zu plastischen Allegorieen herausmeißelten. Diese bis zur höchsten Potenz gesteigerte Phantasiekraft setzte sich zu der Bewegung der Weltkörper in Schwingung und möchte das All reflektiv umspannen, ohne daß sie je Gefahr lief, sich im Allgefühl zu verlieren. Diese titanische Individualität sammelte die durch zahllose Kanäle

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