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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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des allgemeinen Schriftstellerverbandes und des litterarischen Schutzbureaus erschien, worin jeder dieser Concurrenten den andern für die deutsche Misère in verblümter Weise verantwortlich machte und dann zu dem Fall Leonhart überleitete. Sämmtliche sechzehntausend Schriftsteller und Schriftstellerinnen des Kürschnerschen Lexicons sollten einen Obolus entrichten für einen interessanten Grabstein, welchen man dem »verewigten Collegen« errichten wollte. An den Grafen Oscar von Scheckwitz, Excellenz, und andere millionenreiche Didaktiker richtete man eine Adresse: »Ew. Excellenz! Hochgeborener Herr Graf, hochmögender Herr Kammerherr! Mit jener Ehrerbietung, welche Alldeutschland Ihrem glorwürdigen Schaffen zollt« u.s.w. Er möge, um die entsetzliche deutsche Dichterverachtung im Volk der Dichter und Denker zu brandmarken, das Portrait Leonharts nach einer Zeichnung von Stauffer-Vern anfertigen lassen und seiner berühmten Gallerie einverleiben. Graf Scheckwitz, Excellenz, edelherzig wie immer, zog sich jedoch noch glänzender aus der Affaire. Er versprach nämlich statt dessen die Tantièmen seines neuen griechischen Dramas mit Chören »Gott Hymenäos«, falls dasselbe sofort von seinem Standesgenossen Graf Hochberg aufgeführt werde, als Preis auszusetzen für die beste Denkschrift über »Friedrich Leonhart, den deutschen Chatterton.« Es giebt noch gute Menschen.
    Regnete es doch nur so »Erinnerungen an den verewigten Dichter«!
    Frank Säuerbach in München veröffentlichte einen Essay in der »Allgemeinen Zeitung«, worin er mit braminenhafter Spitzfindigkeit den Leichnam Leonharts secirte und an demselben pathologische Studien verübte. Der Keim zum Selbstmord habe von jeher in Leonhart gelegen, ebenso wie etwa Satyriasis in dem sogenannten Pantheismus jüngstdeutscher Lyriker. Er brachte als Beweismittel zwei Gedichte bei, die der Unglückliche vor Jahren veröffentlicht habe:
     
    Du, des Tages blind Geschöpf, jammerst, daß Dein Herz verblutet,
    Daß Dein ganzes Sein sich fühlt vom Verwesen angemuthet?
    Ja, die Hoffnung bald entwich,
    Nur den Tod zu suchen frommt, nur der Tod macht Dich unsterblich.
    Nur des Denkers Ideal bleibt von Zeit zu Zeit vererblich,
    Dein Gedanke unveräußerlich.
     
    Als Volker vorgefiedelt, sprang auf des Tisches Brett
    Herr Hagen, jäh zertrümmernd die Krüge beim Bankett.
    »Nun trinken wir die Minne und zahlen des Königs Wein:
    Der junge Vogt der Hennen – der soll der Allererste, sein!«
     
    Wer will zum Tanz mir fiedeln? Ich möchte schon sogleich
    Zertrümmern meines Herzens Gefäß mit festem Streich.
    »Nun trinken wir die Minne und zahlen des Schöp fers Wein:
    Das Blut des Dichterherzens – das muß das allerbeste sein.«
     
    Diese traurige Lebensverschmähung, dieser bachantische Trieb zur Selbstvernichtung wie zu einem Festgelag, sei nun durch die berechtigte Verzweiflung des Dichters über die stumpfe Aera, in welche ihn das Schicksal verbannte, gesteigert worden. Sogar der Componist Francis Henry Annesley meldete sich einem litterarischen Magazin mit einem Artikel »Meine Beziehungen zu Friedrich Leonhart«. Denn obschon er für alle Zeiten jeglicher Schmier-Bethätigung entsagt und sich ganz der edeln Musika gewidmet habe, besäße für ihn die Feder noch immer genug Anziehungskraft, um zwei edeln Todten den Zoll der Dankbarkeit zu bringen. Dies seien der Maler Rother und der Dichter Leonhart, beide auf rätselhafte Weise verunglückt, wahrscheinlich durch Selbstmord. »Ja, sie wanderten nicht von einer Kaltwasserheilanstalt in die andere, wie so mancher andere Schmerzenreich,« – (gestand der junge Musiker mit achtungswerther Selbstironie) – »ewig entsagend und immer wieder da, von den Todten auferstanden. Sie machten Ernst mit ihrer Verneinung des Lebens, mit dem letzten Facit unter der Summe ihrer Schmerzen.« Und jetzt folgten eine Menge enthusiastischer Lobeserhebungen über die »hehren Verblichenen,« welche »die einzigen absolut selbstlosen, neid- und parteilosen Menschen« gewesen seien, die ihm je begegnet. Er idealisirte sie jetzt ebenso ins Maßlose, wie er sie früher bemäkelt und ausgebeutet hatte. Allein, mochte man darüber denken wie man wollte, etwas Rührendes lag trotz eines Anflugs der alten Schauspielerei in dieser offenherzigen Reue, mit welcher sich der sonst so geckenhafte und seines eigenen Edelsinns bewußte Jüngling selber des knabenhaften Undanks bezüchtigte. Er habe zur Entschuldigung anzuführen, daß er

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