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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sich solch einen Famulus als Nachfolger herangezüchtet, der eiligst den vakanten Papststuhl des verehrten Vorbilds einnimmt und in seinem Stile weiterackert. So hat man sogar noch seinen Nachruhm sorglich vorweg »versichert.«
    In den bildenden Künsten derselbe Lügenmechanismus. Gottsträfliche Intriguanten, die als Künstler nichts als geschickte Macher, erobern sich das höchste Ansehn, indem sie die Feigheit der Schwächeren terrorisiren. Denn nicht das künstlerische Können entscheidet. Wer versteht heut etwas davon, heut, wo der Eine bloß die Sujets beäugelt und die schlechtesten Historienbilder für Heldenthaten ansieht, der Andre bloß die Handwerksmätzchen bestaunt und ein raffinirtes Virtuosenportrait für den Gipfel der Kunst hält! Und als Untergrund dieser ganzen gleißenden Firniß-Gesellschaft die großen Massen, die als Atlas auf ihren nimmer müden Armen diesen Olympos tragen. Bei ihnen regiert wenigstens nur der Kampf ums Dasein in der rohen äußerlichen Form, und man schachert bei ihnen nicht mit den heiligsten Gütern der Menschheit, mit Wahrheit und Kunst. Sie fürchten Gott und das Kriminalgericht, nähren sich schlecht und recht, und schwören im Uebrigen auf ihre Zeitung. Denn was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.
    Allerdings steht ja dem so beschaffenen Kasernen-Organismus einer bureaukratisch-kaufmännischen Gesellschaft der Originalmensch und gar das Genie wehrlos gegenüber, und muß nothwendig untergehn. Wie darf es sich unterstehn, die Preise zu drücken, den Markt durch seine Ueberproduction zu stören! Allein, das ist weise das ist naturgemäß. Was sollte aus einer Welt werden wohin würde die Entwickelung gerathen, wenn man statt des hohlen Scheins das Sein anbeten, wenn man die wahren Könige der Menschheit nicht verborgen im Dunkel stehen und die Nichtse auf dem Markte sich spreizen ließe! Denn die ungeheure Majorität der Menschen kann nur durch schlechte Leidenschaften zur Arbeit gestachelt werden, durch gute nie. Daher ist nur eine solche Welt geeignet, als bequeme Behausung der Menschenmassen zu dienen, und auf die Massen kommt es ja an. Ein Genie zählt auch nur als einzelner Mensch und darf beileibe keinen breiteren Platz beanspruchen, als jeder beliebige Tropf mit platter Stirn und strammer Lende. Dies ist die wahre Demokratie, die Demokratie der Mittelmäßigkeit, der
prudente médiocrité,
von welcher Welttyrann Napoleon schwärmte.
    Darum weihe sich Jeder in stillbeseligter Erbauung dem wahren Ideal: einem normalen Verdauungsprozeß und den schönen blanken Zwanzig-Mark. Vor Geistesthaten präsentirt ja kein Gardist das Gewehr. Ein gutgebratenes Wiener Schnitzel schmeckt besser, als der überflüssige Schönheitsquark, und wer nur als Schnecke am eignen Schleim emporkriecht, erklimmt das erhabenste Ziel eines guten Bürgers: einen hübschen Titelrang.
    So rollt die wohleingeölte Maschine der sittlichen Weltordnung munter fort. Die Damen plaudern auf dem goldnen Deck der Staatsgaleere, frißt auch drunten geheimes Leck. Aber die Parze des kommenden Jahrhunderts schreitet langsam durch die Nächte dahin in dunkeln Träumen. Die Fackel für den Weltenbrand beleuchtet ihre hungerbleichen Züge, ihr unumwölktes Hirn zerschneidet den Phrasendunst der Zeit. Wer vergebens sich klammert an veraltete Banner, fühlt sich hülflos fortgerissen auf den Bahnen eiserner Nothwendigkeit. Die Wellen kommen, Wellen gehen, und die Planken lockern sich nach und nach. Der Sclave im Rumpf des Schiffes entfesselt sich jauchzend, wenn er droben mit Stiel und Stumpf das Deck zerbersten hört. Und immer näher branden die donnernden Fluthen. Aber ihr hört sie nicht.
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    Schon geraume Zeit vorher hatte Krastinik das letzte Walachen-Dorf der Grenze durchritten. Jetzt bei einbrechender Nacht sah er sich angesichts der rumänischen Grenze in einem schmalen Bergthal. Wo übernachten? Einige Hütten lagen umher; ein Hirt im Bärenpelz, ohne Hemd darunter, die nackte Brust offen dem Winde bietend, trieb gerade eine Pferdekoppel von der Weide ein. Der Graf trat ins nächste Gehöft und grüßte. Kaum hätte er sich verständlich machen können, aber ein Zufall begünstigte ihn. Am Tisch neben den walachischen Bauern saß ein stattlicher Mann in braungelbem Jägerrock mit grünen Aufschlägen, Hirschfänger an der Seite. Er erhob sich und grüßte

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